SoDa-Solar­energie für 4 Billionen Euro pro Jahr

Erneuerbare Energien und Klimaschutz
Auszug aus dem Fachbuch
Erneuer­bare Energien und Klima­schutz
in gekürzter Fassung auch erschienen in
Sonne Wind & Wärme 7/2008, S.12-15

Nur rund 0,1 Prozent des deutschen Primärenergieverbrauchs im Jahr 2005 wurden laut Statistik durch Solarenergie gedeckt. Auch der Anteil anderer erneuerbarer Energien ist noch sehr gering. Für viele ist deshalb kaum vorstellbar, dass regenerative Energien in wenigen Jahren das Klima retten sollen. In Wahrheit haben aber regenerative Energien heute bereits einen Anteil von über 99 Prozent am deutschen Energieaufkommen, wenn man in den offiziellen Statistiken nur einmal richtig rechnen würde.

"Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.", soll bereits Winston Churchill gesagt haben, wobei dieser Ausspruch in keiner offiziellen Quelle belegt ist. Ebenso verbreitet wie die Zuordnung des gängigen Zitats an Churchill ist die Aussage, dass ein wesentlicher Teil unseres Energiebedarfs derzeit durch fossile Energieträger gedeckt wird. Dies besagen zumindest alle üblichen Energiestatistiken. Hier stellt sich die Frage, wie wir Energiebedarf definieren.

Energiebedarf oder nicht?

Heizwärme eines Heizkörpers, Licht einer gewöhnlichen Glühbirne oder die Antriebsenergie eines Schiffsdiesels sind allgemein anerkannter Bestandteil unseres Energiebedarfs. Erwärmt durch Fenster einfallende Sonnenstrahlung die Räume, ermöglicht Sonnenlicht in taghell beleuchten Häusern und auf Straßen das Ausschalten der künstlichen Beleuchtung oder treibt Wind unser Segelboot quer über den Atlantik, so erfasst dies keine Energiestatistik. Das beheizte Gewächshaus, bei dem unter künstlichem Licht Nutzpflanzen heranwachsen, schafft es ebenfalls in die Energiestatistiken - das überdachte Frühbeet, in dem Pflanzen alleine durch Sonnenlicht gedeihen, hingegen nicht. Die Flutlichtbeleuchtung eines Stadions während eines abendlichen Fußballspiels ist Teil unseres Energiebedarfs. Findet das Fußballspiel bei strahlendem Sonnenschein statt, wird laut Energiestatistik in der durch die Sonne hell ausgeleuchteten Fußballarena eigentlich kein Licht benötigt. Werfen wir Kunstschneemaschinen an, um das immer spärlicher werdende Schneeaufkommen in den Skigebieten zu kompensieren, ist dies ein Fall für die Energiestatistik - der natürliche Schnee hingegen nicht. Füllen wir unsere Trinkwasserspeicher durch elektrische Pumpen, zählen wir die Energie. Füllt Regen die Speicher, ist dies nicht weiter zu beachten. Auch der hohe Strombedarf von elektrischen Wäschetrocknern erhöht den Energiebedarf. Trocknen hingegen Wind und Sonne die Wäsche auf einer herkömmlichen Wäscheleine, decken sie im Sinne der Statistik keinerlei Bedarf.
Alle natürlichen, nicht technisch umgewandelten Energieformen sind nicht Bestandteil des Energiebedarfs im herkömmlichen Sinne, obwohl es eigentlich egal sein müsste, woher die Energie kommt, die unser Badewasser erwärmt, die Pflanzen zum Wachsen bringt oder für Beleuchtung sorgt. Die Verfügbarkeit von natürlichen Energieformen wie Sonnenenergie ist für uns aber so selbstverständlich, weil sie sowieso da ist und deshalb so wertlos erscheint, dass sie es nicht einmal in die Statistiken schafft. Dies verzerrt aber unseren Eindruck über den Energiebedarf und setzt die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien in ein falsches Licht.

Vergessene regenerative Energien

Deutschland hat eine Fläche von 357 093 Quadratkilometern. Die jährliche solare Bestrahlung beträgt im Mittel 1064 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Somit erreicht Deutschland in jedem Jahr eine solare Energiemenge von 380 Billionen Kilowattstunden. Dies ist knapp hundertmal so viel wie der in der Statistik ausgewiesene Primärenergieverbrauch von Deutschland und sogar mehr als der gesamte Primärenergiebedarf der Erde. Ein Teil dieser Strahlung erwärmt unsere Erde und Luft, ein anderer Teil wird in Pflanzenwachstum, also Biomasseproduktion umgewandelt.
Rund 800 Millimeter oder 0,8 Kubikmeter Niederschlag gehen in Deutschland pro Quadratmeter nieder. Über ganz Deutschland summiert sich der jährliche Niederschlag auf 286 Milliarden Kubikmeter. Die Sonne verdunstet dieses Wasser, bevor es als Regen zur Erde gelangt. Für die Verdunstung von einem Kubikmeter Wasser werden 627 Kilowattstunden benötigt. Somit steckt im jährlichen Niederschlag eine Energiemenge von rund 179 Billionen Kilowattstunden.
Etwa 2 Prozent der Sonnenenergie werden in Bewegung des Windes umgewandelt. Hier kommen für Deutschland rund 8 Billionen Kilowattstunden zusammen. Sonne, Wind und Wasser zusammen haben in Deutschland alleine ein Energieaufkommen von rund 567 Billionen Kilowattstunden pro Jahr. Die Geothermie oder Meeresenergie ist in dieser Summe noch nicht einmal enthalten. Würde diese Energiemenge nur wenige Prozentpunkte sinken, wären Dürren oder arktische Winter die Folge.

SoDa-Energiestatistik
Bild 1: Grafik 1: Vergleich des tatsächlichen Energieaufkommens in Deutschland ohne Geothermie und Meeresenergie (links) mit dem offiziellen Primärenergieaufkommen im Jahr 2006 (rechts)
SoDa-Energie ist sowieso da

Der Primärenergiebedarf von Deutschland wird in der Statistik im Jahr 2007 hingegen mit 13 842 Petajoule ausgewiesen. Das sind umgerechnet gerade einmal knapp 4 Billionen Kilowattstunden. Natürlich kommen in dieser Statistik auch Solar-, Wasser- und Windkraft vor. Genau 0,26 Billionen Kilowattstunden pro Jahr soll der Anteil aller regenerativen Energien zusammen am Primärenergiebedarf in Deutschland betragen. Das ist der Anteil, den technische Anlagen zur regenerativen Energienutzung umsetzen. Die natürlichen Formen der regenerativen Energien, die sowieso da sind, fehlen in dieser Statistik völlig. So kommt es zu der kleinen offensichtlichen statistischen Diskrepanz zum zuvor berechneten regenerativen Energieaufkommen von 567 Billionen Kilowattstunden. Um den Unterschied zu herkömmlichen Statistiken zu verdeutlichen, werden im Folgenden bislang statistisch nicht erfasste natürliche regenerative Energieformen als SoDa-Energie bezeichnet.
Wer nun meint, dass all diese Überlegungen statistische Haarspalterei sind, irrt. Da der Klimaschock in der Öffentlichkeit angekommen ist, besteht das allgemeine Interesse, fossile Energieträger möglichst schnell durch regenerative Energien zu ersetzen. Doch viele haben den Eindruck, das ist schwer und in überschaubaren Zeiträumen fast unmöglich. Gebetsmühlenartig wird wiederholt, dass die Solarenergie in Deutschland einen verschwindend geringen Anteil des Energieaufkommens deckt. Wäre das wahr, wäre diese Skepsis sicher auch berechtigt. Tatsächlich sind es aber die fossilen und nuklearen Energieträger, die gerade einmal 0,6 Prozent am Energieaufkommen in Deutschland haben. Dass 0,6 Prozent in absehbarer Zeit zu ersetzen sind, dürfte eigentlich niemand ernsthaft bezweifeln.
Die Explosion des indonesischen Vulkans Tambora im Jahr 1815 führt uns vor Augen, was der Ausfall auch nur eines Buchteils der SoDa-Energie an Folgen hat. Gigantische Mengen an vulkanischen Gasen und Stäuben in der Atmosphäre reduzierten in den folgenden Jahren die Solarstrahlung. In den Jahren 1816 und 1817 kam es zu massiven Ernteausfällen in Europa. Zehntausende von Menschen verhungerten. Würde ein solches Ereignis heute passieren, wären ähnliche Folgen zu erwarten. Ein Großteil der Energie zur Sicherstellung unserer Nahrungsversorgung ist nämlich SoDa-Energie, direkt von der Sonne. Das verschwindend geringe Aufkommen an fossilen und nuklearen Energieträgern wäre aber nicht einmal ansatzweise in der Lage, auch nur relativ kleine Schwankungen der SoDa-Energie zu kompensieren.

Der Wert regenerativer Energien

Bleibt die Frage, was die SoDa-Energie wert ist. Erdöl frei Grenze kostete im Jahr 2007 rund 6 Cent pro Kilowattstunden, Erdgas gut 2 bis 3 Cent pro Kilowattstunden, Tendenz steigend. Da solare Strahlungsenergie und Windenergie nicht so einfach speicherbar sind wie Erdöl oder Erdgas, soll im Folgenden deren Wert mit der Hälfte der von Erdgas, also mit 1 Cent pro Kilowattstunde angesetzt werden, der der Wasserkraft wegen der besseren Speicherbarkeit mit 1,5 Cent pro Kilowattstunde. Damit berechnet sich ein Gesamtwert der SoDa-Energie von rund 6,5 Billionen Euro pro Jahr. Alleine die SoDa-Sonnenenergie ist nach dieser Berechnung rund 4 Billionen Euro wert.

Fazit

Natürliche regenerative Energienformen in der Größenordnung von 567 Billionen Kilowattstunden werden also alleine in Deutschland statistisch nicht erfasst. Dadurch verzerrt sich die öffentliche Wahrnehmung über die heutige Energieversorgung. Wir unterliegen dem falschen Eindruck, dass fossile und nukleare Energieträger den wesentlichen Anteil am Energieaufkommen haben. In Wahrheit ist ihr Anteil kleiner als ein Prozent und regenerative Energien sollten sie für einen wirksamen Klimaschutz möglichst schnell ersetzen. Hierfür stehen uns natürliche regenerative Energieformen im Wert von rund 6,5 Billionen Euro kostenlos zur Verfügung. Eigentlich können wir es uns nicht leisten, darauf zu verzichten.

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