Herr Quaschning, wie sehen Sie die generelle Marktentwicklung in der Photovoltaikbranche?
Die weltweit installierte Photovoltaikleistung konnte lange Zeit jährliche Wachstumsraten im
hohen zweistelligen Prozentbereich aufweisen. Momentan sind die Wachstumsraten jedoch
rückläufig. Viele haben beim Ausbau ihrer Produktionskapazitäten aber auf anhaltend hohe
Wachstumsraten gesetzt. Daher gibt es momentan Überkapazitäten, die massiv auf die
Preise drücken.
Wir durchschreiten derzeit eine Konsolidierungsphase mit niedrigen Wachstumsraten, in der
eine Marktbereinigung ansteht. Nur ein kleiner Teil der Unternehmen wird diese unverändert
überstehen. Durch sinkende Preise wird die Photovoltaik aber für einen schnell wachsenden
Kundenkreis weltweit interessanter, sodass das Wachstum recht bald wieder deutlich
ansteigend wird. Wollen wir zudem noch aktiv den Klimawandel bekämpfen, brauchen wir ein jährliches Installationsvolumen an
Photovoltaikanlagen in der Größenordnung von 500 Gigawatt. Betrachtet man die noch recht überschaubaren 20 Gigawatt heute,
ist da noch viel Luft nach oben.
Wenn ich mir die Energiepolitik in Deutschland der letzten Jahre anschaue, laufen wir zwar bereits in die richtige Richtung.
Wir bewegen uns momentan aber nur im Schneckentempo. Die enormen Folgen unserer heutigen Energieversorgung wie der Treibhauseffekt,
die nuklearen Risiken oder die zur Neige gehenden fossilen Energieträger werden aber kein weiteres Zögern verzeihen.
Insofern ist ein deutlich höheres Tempo erforderlich.
Welche Änderungen der PV-Landschaft sind Ihrer Meinung nach nach Erreichen der „Grid-parity“ zu erwarten?
Die Grid-Parity für Anlagen auf Privathaushalten ist in Deutschland seit Anfang 2012 bereits erreicht. Momentan hilft das aber
noch nicht viel weiter, da sich hierdurch nur Anlagen wirtschaftlich betreiben lassen, wenn der gesamte Solarstrom selbst
verbraucht wird. Dies gelingt in Privathaushalten nicht. Im Industriebereich sind die Voraussetzungen deutlich besser. Da hier
aber die Strompreise deutlich niedriger liegen, wird dort die Grid-Parity erst in einigen Jahren erreicht.
Mit weiter sinkenden Preisen für Photovoltaikanlagen und den Einsatz von Speichersystemen werden sich aber in absehbarer Zeit
bei Privathaushalten Photovoltaikanlagen auch ohne eine erhöhte Einspeisevergütung durch das EEG wirtschaftlich betreiben
lassen. Dieser Zeitpunkt könnte in etwa drei bis sechs Jahren erreicht sein. Dafür brauchen wir aber komplett andere
Anlagenkonzepte, die auf den Eigenverbrauch optimiert sind. Das wird die PV-Landschaft noch einmal komplett umkrempeln.
Anbieter mit innovativen Produkten und Konzepten werden dann ein sehr positives Marktumfeld erleben.
Wie sieht dabei Ihre Einschätzung der Kostenentwicklung aus?
Die Lernkurve der Photovoltaik ist seit den 1970er-Jahren stabil: Bei jeder Verdopplung der weltweit installierten Leistung sinken die Kosten um 20 Prozent. Im Jahr 2011 sind die Preise schneller gefallen als die installierte Leistung gestiegen ist. Nach der Konsolidierungsphase wird daher der Preisrückgang erst einmal etwas geringer ausfallen. Es spricht aber auch längerfristig nichts dagegen, dass die Kosten entlang der Lernkurve weiter sinken. In absehbarer Zeit werden sich dann Photovoltaikanlagen bei Vergütungen deutlich unter zehn Cent pro Kilowattstunde wirtschaftlich betreiben lassen.
Welche Änderungen in den Gesetzesvorgaben sehen Sie für 2012 beziehungsweise die nächsten Jahre und wie schätzen Sie deren Einfluss auf die Weiterentwicklung des Marktes ein?
Die Energiepolitik in Deutschland zeichnet sich derzeit leider nicht durch Kontinuität und verlässliche Rahmenbedingungen aus. 2011 haben wir zwei fundamentale Energiewenden vollzogen. Bereits wenige Monate, nachdem der Ausstieg aus der Kernenergie verabschiedet und das regenerative Zeitalter verkündet wurde, hat die Regierungskoalition über einen ein-Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik diskutiert. Wie dadurch der Kernenergieausstieg ermöglicht und auch noch die vollmundig versprochenen Klimaschutzziele erreicht werden sollen, ist mir völlig schleierhaft. Es ist aber dennoch wahrscheinlich, dass Teile der Regierung versuchen werden, den Photovotlaikausbau zurückzudrängen. Das kann durch einen Deckel, weitere Absenkungen der EEG-Vergütung oder Verschlechterung anderer Rahmenbedingungen erfolgen. Es gibt aber auch moderatere Stimmen aus dem Umweltbereich der Regierung. Wer sich letztendlich in der Koalition durchsetzt, ist schwer vorherzusagen.
Konflikt in der Politik: Energiewende beschlossen, Kernenergieausstieg beschlossen aber nun soll der Solarenergieausbau gedeckelt werden – was sind denn die Alternativen?
Die Politik hat verkündet, dass in Deutschland bis 2020 mindestens 35 Prozent des Stroms aus
regenerativen Kraftwerken stammen soll. Für einen wirksamen Klimaschutz ist dieser Wert aber viel
zu niedrig. Hier wären eher 50 Prozent nötig. Schon wie das magere 35-Prozent-Ziel bei einem
starken Rückgang des Photovoltaikausbaus erreicht werden soll, scheint die Regierung selbst nicht
wirklich zu wissen. Als einzige Option bliebe nur noch die Offshore-Windenergie.
Dass der Ausbau der Offshore-Windenergie das dafür nötige Tempo erreicht, ist aber mehr als
unwahrscheinlich. Möglicherweise arbeitet man aber auch auf ein Verfehlen der Ziele hin. Dann
müsste man in zehn Jahren möglicherweise den Kernenergieausstieg noch einmal überdenken und
auch die Rahmenbedingungen für die Neuerrichtung oder den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken
würden sich deutlich verbessern. Zumindest bis zur nächsten Bundestagswahl werden sich die
Aussichten für die Photovoltaik in Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach eher verschlechtern als
verbessern. Für den Klimaschutz sind diese Rückschläge bei der Energiewende allerdings eine
Katastrophe. Gelingt es uns nicht, in den nächsten 30 Jahren eine nahezu kohlendioxidfreie Energieversorgung aufzubauen,
werden wir längerfristig unsere Küstenregionen im Meer versenken. Als einzige Alternative zu einem schnellen Solar- und
Windenergieausbau fallen mir nur noch Deichbaumaßnahmen ein.
Wie sehen Sie die EEG und Niederspannungsrichtlinie in Deutschland und im Bezug zum Leistungsmanagement von Kleinanlagen beziehungsweise deren Überdimensionierung?
Die Integration des stark gestiegenen Photovoltaikanteils ins Netz stellt eine große Herausforderung dar, auf die auch die
entsprechenden Richtlinien und Gesetze reagieren müssen. Ein Beispiel ist das 50,2-Hertz-Problem. Entsprechend den alten
Regelungen wären bei Netzstörungen alle Photovoltaikanlagen bei 50,2 Hertz vom Netz gegangen und hätten damit Probleme bis
hin zum europaweiten Blackout verursacht.
Das 50,2-Hertz-Problem hatte man trotz mahnender Stimmen aus der Solarbranche komplett verschlafen, unter großem
Zeitdruck nachgebessert und nun extrem hohe Folgekosten am Bein. Insofern ist es generell sinnvoll, Lösungsansätze für die
bessere Netzintegration in Gesetze und Richtlinien zu übernehmen. Einzelne Passagen muss man sicher noch einmal diskutieren.
Ob sich die Netzintegration deutlich verbessern lässt, wenn eine ein-Kilowattpeak-Photovoltaikanlage stur bei 700 Watt abgeregelt
wird, ist fraglich. Generell bleibt zu hoffen, dass künftige Änderungen weniger hektisch, besser durchdacht und mit mehr Weitsicht
erfolgen.
Haben Gesetzesvorgaben und Einspeisevergütung auch einen Einfluss auf die Produktentwicklung im Markt?
Die aktuellen Vorgaben müssen natürlich auch zeitnah von den Produkten im Markt umgesetzt werden. Die stark sinkende Einspeisevergütung erzeugt einen hohen Kostendruck, der ebenfalls die Produktentwicklung beeinflusst. Gerade für kleinere Hersteller und Newcomer stellen schnelle Änderungen große Herausforderungen dar und für viele außereuropäische Hersteller zum Teil unüberwindbare Hindernisse. Dies erklärt auch, warum die Asiaten bei der Modulherstellung den Markt dominieren, im Bereich der Umrichter aber noch keine große Bedeutung haben.
Gibt es neue Themenbereiche, die an Relevanz gewinnen?
Wenn die Photovoltaik die volle Konkurrenzfähigkeit erreichen soll, muss man sich intensiv Gedanken machen, wie die Kosten
zeitnah noch einmal um gut die Hälfte gesenkt werden können. Neben weiteren Kostensenkungen bei der Modulherstellung
betrifft das natürlich auch die Umrichter oder die Montage. Mittelfristig stelle ich mir sehr einfache Systeme vor, die Endkunden
ohne größere technische Kenntnisse selbst installieren können. Der künftige Fokus wird sich zunehmend auf
Eigenverbrauchssysteme verschieben. Hier geht es darum, intelligente Systeme und Speicher zu entwickeln.
Höchst wahrscheinlich sehen wir in wenigen Jahren auch die ersten photovoltaischen Anlagen zur Warmwasserbereitung und
Heizungsunterstützung. In sehr absehbarer Zeit werden auch solche Konzepte ökonomisch attraktiv.
Welche kurzfristigen Entwicklungen sehen Sie für 2012?
Durch die negativen gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen und die anhaltende staatliche Schuldenkrise sind andere Themen als
die Energiewende oder der Klimaschutz in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Daher sind bei den regenerativen Energien für
2012 eher keine besonderen Wachstumsimpulse zu erwarten. In Deutschland wird es ein weiteres Tauziehen um die Zubauhöhe
der Photovoltaik geben.
Die Photovoltaik befindet sich allerdings relativ kurz vor der vollen wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit. Wird diese erreicht, steht
uns ein sehr dynamisches Marktwachstum bevor. Aus heutiger Sicht werden wir darauf noch etwa fünf Jahre warten müssen.
Andererseits haben wir Anfang 2010 noch diskutiert, dass wir deutsche Kernkraftwerke bis zum Jahr 2040 betreiben wollen. Doch
dann kam alles ganz anders. Wer weiß: Vielleicht hat das Jahr 2012 auch wieder Überraschungen parat, die die Energiewende
schneller vorantreiben als heute noch erwartet.
Herr Quaschning, vielen Dank für das Gespräch.