Zeitschrift Joule
Volkskrankheit Ausschreibungen

erschienen in der Zeitschrift joule 3/2017, S.27.

Die neuste Erfindung unserer Energiepolitik sind Ausschreibungen. Das klingt fast wie Ausschlag, eine ansteckende Krankheit, die nach der Photovoltaik in diesem Jahr auch die Windbranche böse erwischt hat.

Das einzig Positive zu Ausschreibungen vorweg: Sie liefern momentan einen Rekord-Niedrigstpreis nach dem anderen. Der aktuelle Tiefpunkt wurde mit 5,38 Cent pro Kilowattstunde in der geöffneten PV-Ausschreibung mit Dänemark Ende 2016 erreicht. 5,38 Cent für Solarstrom, im sonnenarmen Mitteleuropa! Mit diesen Werten sorgt auch ein hoher erneuerbarer Zubau kaum noch für höhere Strompreise. Doch es ist nicht zu erwarten, dass sich die Politik nun endlich die Installationszahlen für Solar- und Windkraftanlagen auf die für den Klimaschutz erforderlichen Werte nach oben korrigiert.

Ein Hauptziel der Ausschreibungen war schon immer eine Zubaubegrenzung. Früher konnten alle so viel bauen wie sie wollten, wenn sie mit den festgelegten Preisen zufrieden waren. Heute ist die Menge festgelegt. Das verhindert nun todsicher ein Überschreiten der Zubauziele. Und diese sind so gewählt, dass die Kohlekraftwerke in Deutschland weiterhin gebraucht werden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist somit zum Kohleausstiegsverhinderungsgesetz geworden. Mit den aktuellen Zielen lassen sich bis zum Jahr 2040 gerade einmal 27 Prozent der deutschen Energieversorgung dekarbonisieren. Klimaschutz? Egal.

Selbst PV-Dachanlagen mit mehr als 750 Kilowatt müssen in die Ausschreibung. In der Konsequenz werden faktisch keine größeren Anlagen mehr gebaut. Große Dachflächen bleiben ungenutzt und müssen später entweder teurer nachgerüstet oder durch zusätzliche Freiflächenanlagen kompensiert werden. Bei der Windkraft reduzieren die Ausschreibungen die bisherige Praxis der Bürgerbeteiligung vor Ort. Dadurch schwindet die Akzeptanz der Windkraft weiter und es werden sich die für eine klimaneutrale Energieversorgung nötigen Kapazitäten nur noch schwer realisieren lassen.

Und ob die durch die Ausschreibung erzielten Preise nachhaltig sind, ist auch mehr als fraglich. Nach allen Regeln der Marktwirtschaft müsste ein komplizierteres Verfahren mit höherem Risiko langfristig auch zu höheren Preisen führen. Nur solange die Ausschreibungsmengen deutlich unter den Klimaschutzerfordernissen zurückbleiben, sind niedrige Preise garantiert. Lassen Sie uns doch einfach mal 15 Gigawatt Photovoltaik oder 6 Gigawatt Windkraft pro Jahr ausschreiben. Dann wären die Ausschreibungen ziemlich schnell Geschichte und damit eine weitere Volkskrankheit besiegt.

Volker Quaschning

Anmerkung: Der Photovoltaikzubau im Jahr 2016 betrug gerade einmal 1,5 Gigawatt. Für einen erfolgreichen Klimaschutz erforderlich wären allerdings 15 Gigawatt.

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