Zweitausendachtzunddreißig. Das ist das wesentliche Ergebnis der Kohlekommission, die offiziell nie so heißen durfte.
Nach Empfehlungen der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" soll nun bis zum Jahr 2038 der Kohleausstieg
vollzogen sein.
Und für das von Einigen als historisch gefeierten Ergebnis soll richtig viel Geld kosten. Dass der ohnehin schon überfällige
Strukturwandel teuer würde, war schon seit langem ein offenes Geheimnis. Gut, dass das jetzt endlich angegangen werden soll.
Es bleibt zu hoffen, dass dabei nicht viel Geld in den Sand gesetzt wird. Im Land Brandenburg lassen die Beispiele Lausitzring
oder Cargolifter keine hohen Erwartungen aufkommen.
Unbegreiflich ist hingegen, warum das Abschalten der Kohlekraftwerke noch durch einen goldenen Handschlag versüßt werden soll.
Selbst im nächsten Jahr wird noch ein neues Kohlekraftwerk an Netz gehen. Eines von vielen Kraftwerken, die seit Jahren schon
keiner mehr braucht. Während jeder Handwerksmeister bei Fehlinvestitionen den Kopf hinhalten muss, sollen die Energiekonzerne
dafür nun auch noch mit Milliarden an Steuergeldern entschädigt werden. Die Börse freut es: Die RWE-Aktie ist schon mal
deutlich gestiegen.
Ein für den Klimaschutz sinnvolles Ergebnis war von einer Kommission, die Klimaschutz nicht einmal im Namen tragen durfte,
schon von Anfang an nicht zu erwarten. Hierfür hätte es einen richtungsweisenden Kohleausstieg bis spätestens 2030 geben
müssen.
Dabei hatte der Weltklimarat IPCC noch kürzlich in seinem Report "Global Warming of 1.5°C" eindringlich davor gewarnt,
die 1,5-Grad-Grenze der Erderwärmung zu reißen: Eine Grenze, die Deutschland mit der Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommen
völkerrechtlich anerkannt hat. Wollen wir sie nicht überschreiten, brauchen wir bereits im Jahr 2040 eine Energieversorgung
ganz ohne fossile Energieträger. Zuerst gilt es, die Kohle zu ersetzen, dann das Erdöl und zuletzt das Erdgas. Der Ersatz
von Öl und Gas durch erneuerbare Energien ist deutlich komplexer als der Kohleausstieg. Wenn wir nach dem Votum der
Kohlekommission für den Kohleausstieg noch 20 Jahre brauchen, wird sich die vollständige Klimaneutralität Deutschlands
bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hinziehen. Viel zu spät, um die Klimafolgen noch in einem vertretbaren
Rahmen zu halten. Das Pariser Klimaschutzabkommen ist nun durch Deutschland praktisch nicht mehr einzuhalten.
Immerhin klingen die Empfehlungen für das Jahr 2022 auf den ersten Blick ambitioniert. Ein Drittel der Kohlekraftwerke
soll bis dahin vom Netz gehen. Dies dient jedoch in erster Line dem Abbau von Überkapazitäten. In den letzten Jahren ist
durch den schnellen Ausbau erneuerbarer Kraftwerke die Zahl der Volllaststunden von Steinkohle- und Gaskraftwerken spürbar
zurückgegangen, wodurch deren Wirtschaftlichkeit gelitten hat. Nun könnten die verbleibenden Kraftwerke wieder besser
ausgelastet und profitabler betrieben werden. Durch das kontinuierliche Verschieben der Stromerzeugung von Kohle- zu
Gaskraftwerken ergibt sich 2022 ein leichter CO2-Rückgang, der aber nur in der Größenordnung von 8% liegen dürfte.
Bis 2030 könnten die CO2-Einsparungen dann vielleicht 14% erreichen. Das ist viel zu wenig für das magere 2030er-Klimaschutzziel
der Bundesregierung, für Paris erst recht.
Ein wenig Luft für den Zubau Erneuerbarer gibt es erst einmal durch den parallel verlaufenden Kernenergieausstieg.
Ohne einen ambitionierten Einstieg in die Sektorkopplung, der derzeit nicht erkennbar ist, würde durch den Kohleausstieg
aber ab dem Jahr 2023 das Potenzial für den Ausbau erneuerbarer Energien wieder sinken. Bestenfalls 5 TWh pro Jahr beträgt
dann die Deckungslücke durch den langsamen Kohleausstieg. Diese wäre durch einen sehr mageren Nettozubau von maximal 1,5 GW
Photovoltaik und 1,5 GW Wind zu stopfen. Das liegt deutlich unter dem Zubau der letzten Jahre. Der regenerativen Energiebranche
wird also auch künftig weiter kräftiger Gegenwind ins Gesicht blasen.
Für den Klimaschutz sind die Ergebnisse der Kohlekommission geradezu fatal. Die Perspektiven der erneuerbaren Energiebranche
sind sehr ernüchternd. Damit hat die Kohlekommission ihr Hauptziel verfehlt: Die dauerhafte Lösung des Konflikts.
Klimaschützer werden zurecht versuchen, weiter Druck für einen früheren Ausstieg aufzubauen. Die ersten Blockaden fanden
bereits wieder statt. Und auch Kinder und Jugendliche begehren immer mehr auf. Denn sie hatten keine Vertreter in einer
Kommission, die ihre Interessen komplett ignoriert hat.
Eine Vielzahl an Artikeln behandelt aktuelle Themen der Energiepolitik, des Klimaschutzes und des Einsatzes erneuerbarer Energien.
In verschiedenen Print-, Radio- und TV-Interviews nimmt Volker Quaschning Stellung zu aktuellen Fragen über die Energiewende und eine klimaverträgliche Energieversorgung.
Das Wachstum erneuerbarer Energien steigt kontinuierlich. 2023 haben erneuerbare Energien bereits einen Anteil an der weltweiten Kraftwerksleistung von 45 Prozent erreicht. Kernkraftwerke liegen dagegen nur noch bei 4 Prozent. Für wirksamen Klimaschutz muss der Ausbau erneuerbarer Energien aber noch weiter gesteigert werden.
Antworten auf die häufigsten Fragen zu Energiewende und Klimakrise.
Im Jahr 2022 wurden fast 10 GW an regenerativen Energien neu installiert. Davon entfallen 9,6 GW auf PV und Wind. Mit 7,2 GW wurden so viele neue PV-Anlagen installiert wie seit den Rekordjahren 2010-2012 nicht mehr.