Zeitschrift Sonne Wind & Wärme
Heizen mit PV-Strom - Chance für den Wärme­markt

erschienen in Sonne Wind & Wärme 03/2013, S.94-97

Die Gegner der Photovoltaik hoffen auf ein baldiges Ende des Solarbooms in Deutschland. Doch durch die dramatisch gesunkenen Preise für Solarstrom erschließen sich zunehmend neue Geschäftsfelder. Schon bald könnten photovoltaisch unterstützte Heizungssysteme ökonomisch attraktiv werden und damit für eine deutliche Zunahme der Solarwärmenutzung sorgen. Aktuelle Untersuchungen der HTW Berlin zeigen die Einsatzmöglichkeiten für photovoltaische Heizungssysteme für Einfamilienhäuser.

Es vergeht kaum eine Woche, an dem nicht Vertreter der FDP, des CDU-Wirtschaftsflügels und der großen Energiekonzerne einen baldigen Stopp des Photovoltaikausbaus in Deutschland fordern. Spätestens der 52-GW-Deckel soll das Ende des Photovoltaikbooms in Deutschland einläuten. Durch die gesunkenen Photovoltaikpreise werden aber zunehmend photovoltaische Eigenverbrauchssysteme interessant, die bald auch ohne erhöhte EEG-Vergütung konkurrenzfähig werden könnten. Hierbei werden neue Batteriespeicher genauso wie die Kopplung der PV-Systeme mit den Wärmeerzeugern eine wichtige Rolle spielen. Während vor allem Anhänger von solarthermischen Kollektorsystemen die neue Konkurrenz der Photovoltaik skeptisch beäugen, sehen andere darin eine Chance, den Solarboom vom Strombereich endlich auch auf den Wärmebereich übergreifen zu lassen. Im Jahr 2011 wurden in Deutschland gerade einmal knapp 0,9 GWth an solarthermischer Kollektorleistung installiert, während die Photovoltaik 7,5 GWel erreichte. Für einen wirksamen Klimaschutz brauchen wir im Wärmebereich insgesamt aber mindestens 300 bis 400 GWth, um dort einen einigermaßen relevanten Anteil der Solarenergie von gut 15 % zu erreichen. Mit den aktuellen Zubauraten der Solarthermie ist dieses Ziel alles andere als realistisch.

Heizölparität erwartet

Mit der bereits erreichten Netzparität für Strom aus Photovoltaikanlagen, weiter fallenden Gestehungskosten und gleichzeitig steigenden Bezugskosten für Öl und Gas, wird es bereits in naher Zukunft wirtschaftlich interessant, auch einen Teil des PV-Stroms zu verheizen und so überschüssige Energie thermisch zu speichern. Nach der Netzparität ist nun in wenigen Jahren die Ölparität zu erwarten (siehe Grafik 1). Kritiker verteufeln dieses Szenario gerne als exergetisch unvorteilhaften Akt der Barbarei. Technisch würden bei derartigen Systemen Photovoltaikmodule lediglich solarthermische Kollektoren und den Kollektorkreis ersetzen und die Wärme anstatt über einen Wärmetauscher über einen Heizstab in den Wärmespeicher einspeisen. Der Rest des Systems bliebe gleich. Der jahresmittlere Wirkungsgrad der Photovoltaik wäre dabei derzeit noch etwas schlechter als der des Solarkollektorsystems. Mit einer Wärmepumpe ließe sich der Wirkungsgrad der Photovoltaik jedoch über den eines solarthermischen Kollektorsystems steigern. Für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Heizungsvarianten ist dabei immer individuell zu berücksichtigen, welche Systemkomponenten schon vorhanden sind oder noch angeschafft werden müssten. Vor diesem Hintergrund sollte eine Diskussion über die zukünftigen Einsatzmöglichkeiten der Sonnenenergie im Wärmebereich vollkommen technologieoffen und zunehmend verstärkt aus der Sicht der Gebäudeeigentümer und Investoren geführt werden.

Bisherige und prognostizierte Kostenentwicklung der EEG-Vergütung für kleine PV-Systeme, Haushaltstrom- und Ölpreise

Grafik 1: Bisherige und prognostizierte Kostenentwicklung der EEG-Vergütung für kleine PV-Systeme, Haushaltstrom- und Ölpreise

Aufbau eines PV-Heizsystems

Zur Abschätzung der Einsatzmöglichkeiten eines einfachen Heizstabes zur Nutzung von Überschussstrom wurde dessen Verhalten in der Simulationsumgebung „Insel“ mit Erzeugungs- und Lastdaten in minütlicher Auflösung simuliert. Die Lastdaten für Heizwärme-, Trinkwarmwasser- und Strombedarf wurden mit Hilfe der VDI 4655 sowie Temperatur- und Strahlungsdaten in minütlicher Auflösung generiert, sodass ein direkter Zusammenhang zwischen Wettereinfluss und Lastverhalten besteht. Als Referenzgebäude wurde ein durchschnittlich saniertes Einfamilienhaus mit 127 m² Wohnfläche, einem 5-kW-PV-System und einem 200-l-Trinkwarmwasserspeicher beziehungsweise 800-l-Pufferspeicher mit Schichtenladesystem gewählt. Zur Sicherstellung des Komforts, vor allem zur Bereitstellung des Trinkwarmwassers, wurde dem Speicher ein Bereitschaftsvolumen von gut 10 % des gesamten Speichervolumens bei einer Temperatur zwischen 50 und 70 °C vorgegeben. Die Regelung des Systems erfolgt über eine einfach umzusetzende Struktur: Der erzeugte PV-Strom dient in erster Linie zur Deckung des Haushaltstrombedarfs. Überschüsse werden über den Heizstab in den Trinkwarmwasser- beziehungsweise Kombispeicher bis zu einer maximalen Temperatur von 70 °C eingespeichert. Das Stromnetz dient wie üblich als Einspeisesenke und Bezugsquelle für elektrische Energie, während die thermische Versorgung über einen konventionellen Kessel gesichert wird (siehe Grafik 2).

Systemaufbau des Referenzsystems mit 5-kW-PV-System, 800-l-Schichtenpufferspeicher sowie jährliche Energiemengen

Grafik 2: Systemaufbau des Referenzsystems mit 5-kW-PV-System, 800-l-Schichtenpufferspeicher sowie jährliche Energiemengen

Entlastung des Kessels im Sommer

Konventionelle Wärmeerzeuger laufen im Sommerbetrieb ausschließlich für den Trinkwarmwasserbedarf und daher oftmals stark taktend bei gleichzeitig schlechten Wirkungsgraden. Wird dahingegen der überschüssige PV-Strom über einen Heizstab zur Warmwassererzeugung genutzt, kann der Kessel im Sommer ruhen. Handelt es sich beim Speicher nur um einen Trinkwarmwasserspeicher, befindet sich dieser sehr oft an der oberen Beladungsgrenze, da vergleichsweise wenig Wärme benötigt wird. Auch Tage mit mittleren Solarerträgen reichen aus, um das Speichervolumen aufzuheizen, wie Grafik 3 an drei Tagen im Mai zeigt. Mehr als 5.000 Stunden im Jahr verfügt der Speicher im Referenzsystem über einen Ladezustand (State of Charge = SOC) von mehr als 90 %. Dabei kennzeichnet ein Ladezustand von 100 % einen vollkommen auf Maximaltemperatur durchgeheizten Speicher, während der niedrigste Ladezustand (hier ca. 27 %) vom Volumen und der Temperatur des vorgegeben Bereitschaftsvolumens abhängig ist.

Nutzungs- und Versorgungsprofile für das Referenzsystem mit einem 200-l-Trinkwarmwasserspeicher

Grafik 3: Nutzungs- und Versorgungsprofile für das Referenzsystem mit einem 200-l-Trinkwarmwasserspeicher

Primäres Ziel der Nutzung des PV-Stroms zur Warmwassererzeugung ist die Einsparung von fossiler Nachheizenergie. Die Höhe der Einsparungen wird maßgeblich durch die Größe des PV-Systems und die Höhe des Warmwasserbedarfs bestimmt (siehe Grafik 4). So erreicht ein 5-kW-PV-System nach Abzug des zeitgleich genutzten PV-Stroms für den Haushalt im Referenzgebäude einen solaren Deckungsanteil am Warmwasserverbrauch von mehr als 80 %, wobei noch die Hälfte der erzeugten Strommenge ins Stromnetz eingespeist wird. Dieser Eigenverbrauchsanteil von etwa 50 % schwankt bei gleicher Systemdimensionierung in Abhängigkeit der im Haushalt lebenden Personen von 30 % (1 Person, 500 kWh/a Warmwasserbedarf bzw. 1.700 kWh/a Strombedarf) bis 80 % (5 Personen, 2.500 kWh/a bzw. 8.700 kWh/a). Diese große Bandbreite lässt sich dadurch erklären, dass mit steigender Personenanzahl sowohl die Bedarfe an elektrischer als auch an thermischer Energie nahezu proportional ansteigen.

Einsparung an konventioneller Nachheizenergie in Abhängigkeit der PV-Leistung und des Warmwasserbedarfs

Grafik 4: Einsparung an konventioneller Nachheizenergie in Abhängigkeit der PV-Leistung und des Warmwasserbedarfs bei gleichzeitig steigendem Strombedarf von 1.700 bis 8.700 kWhel/a

Neben dem Vorteil des solar erwärmten Dusch und Badewassers ergeben sich auch negative Auswirkungen. So erhöhen sich die jährlichen Speicherverluste gegenüber einem rein konventionellen System um 35 bis 114 kWh, was bis zu 2,5 % des jährlichen PV-Ertrags bedeutet.

Kombisystem – Heizen mit PV-Strom

Reine Trinkwarmwasserspeicher in Einfamilienhaushalten sind von abnehmender Bedeutung. In vielen Fällen besteht das zentrale Wärmeerzeugungssystem aus einem oder mehreren Wärmeerzeugern und einem Kombispeicher. Zudem bestehen viele neue Anlagen aus hygienischen Gründen aus einem einfachen Pufferspeicher mit dessen Hilfe das Trinkwarmwasser im Frischwasserprinzip erwärmt wird. Gemeinsam haben beide Varianten, dass die Heizung und das Trinkwarmwasser auf dasselbe Speichervolumen zurückgreifen.

Während der Heizperiode befindet sich der thermische Speicher ohne nennenswerte PV-Erträge am unteren Ladezustand. Im Gegensatz zum zuvor betrachteten System, können bei Systemen zur Trinkwassererwärmung und Heizungsunterstützung sehr große PV-Erträge thermisch genutzt werden. Dadurch wird selbst an sonnigen Tagen kein PV-Strom in das Netz eingespeist (siehe Grafik 5). Erst mehrere aufeinanderfolgende sonnenreiche Tage können den Speicher vollständig durchheizen.

Nutzungs- und Versorgungsprofile für das Referenzsystem mit einem 800-l-Kombispeicher

Grafik 5: Nutzungs- und Versorgungsprofile für das Referenzsystem mit einem 800-l-Kombispeicher

Bedingt durch das größere Speichervolumen und den zusätzlichen Raumwärmebedarf steigt der Eigenverbrauchsanteil im Referenzsystem gegenüber dem reinen Trinkwarmwassersystem nochmals um 20 Prozentpunkte auf mehr als 75 % an. Da sich jedes Gebäude im Dämmstandard unterscheidet, wurden die Einsparungen bei der Nachheizung auch für effizientere Gebäude berechnet. Hierbei lässt sich bereits ein systembedingter Nachteil erahnen: Mit steigendem Dämmstandard sinkt der Wärmebedarf und die Heizgrenze verlagert sich weiter in den Herbst bzw. Winter, während die meisten Solarerträge nach wie vor im Sommer anfallen. Trotzdem ergeben sich beim Referenzsystem Einsparungen an konventioneller Nachheizenergie von mehr als 10 %. Mit Verbesserung des Dämmstandards lassen sich mit einem 5-kW-PV-System bis zu 40 % des Gesamtwärmebedarfs über einen Heizstab decken (siehe Grafik 6). Allerdings nimmt durch den geringeren Heizwärmebedarf bei verbessertem Gebäudestandard der Eigenverbrauchsanteil des PV-Stroms ab, wodurch mehr PV-Überschüsse in das Netz eingespeist werden.

Einsparung an konventioneller Nachheizung für das Referenzsystem in Abhängigkeit des Gebäudestandards und der PV-Leistung

Grafik 6: Einsparung an konventioneller Nachheizung für das Referenzsystem bei einer Gebäudefläche von 127 m² in Abhängigkeit des Gebäudestandards und der PV-Leistung bei einem Strombedarf von 4.700 kWh/a

Mit weiteren Simulationen gilt es nun herauszufinden, welche Unterschiede sich im Systemverhalten ergeben, wenn statt eines Heizstabes eine Luft/Wasser- oder eine Sole/Wasser-Wärmepumpe zum Einsatz kommen. Tendenziell ist zu erwarten, dass sich eine höhere Einsparung an Nachheizenergie bei sinkendem Eigenverbrauchsanteil ergibt. Der zusätzlich zur Verfügung stehende Solarstrom lässt daraufhin eine eventuelle elektrische Speicherung attraktiver werden.

Die hier vorgestellte Untersuchung zeigt klar auf, dass mit der Photovoltaik kurz- bis mittelfristig eine Technologie bereitsteht, die bei flächendeckendem, dezentralem Einsatz zur Lösung verschiedenster Probleme der Energieversorgung beitragen kann. Die Herausforderung besteht darin, den Elektrizitäts-, Wärme- und Transportsektor in Zukunft gemeinsam zu betrachten und Synergien zu nutzen. Nur so kann es gelingen, bereits in den nächsten 30 Jahren eine nachhaltige Energieversorgung ausschließlich auf Basis erneuerbarer Energien aufzubauen.

Tjarko Tjaden, Volker Quaschning, Johannes Weniger

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