als Gastkommentar erschienen im pv magazine Heft Juni 2014, S. 93
Wollen wir die Lebensgrundlagen der künftigen Generationen erhalten, können wir uns ein weiteres Zaudern nicht mehr leisten.
Dafür brauchen wir keine Energiewende, sondern eine echte Energierevolution. Für einen wirksamen Klimaschutz müssen wir 100 Prozent erneuerbare Energien bis zum Jahr 2040 erreichen. Dazu benötigen wir mehr als 200 Gigawatt an Photovoltaikleistung.
Mit der aktuellen Energiepolitik sind diese Ziele nicht einmal ansatzweise erreichbar. Die Regierung ist derzeit vielmehr
daran interessiert, das Tempo der Energiewende zu drosseln, um die unter Druck geratenen Energiekonzerne mit ihrem fossilen
Kraftwerkspark zu schützen. Klimaschutz steht nicht mehr auf der Tagesordnung. Die Haupttreiber der Energierevolution müssen
daher weiterhin die Bürger sein. Ihnen gehört bereits heute rund die Hälfte der erneuerbaren Energieanlagen. Künftig brauchen
wir Wege, das Ausbautempo erneuerbarer Energien auch gegen die Widerstände aus der Politik zu forcieren.
Eine Option ist dabei der photovoltaische Eigenverbrauch. In Kombination mit Speichern und der Kopplung mit Wärmesystemen lassen sich mittelfristig fünf bis sieben Kilowatt pro Haushalt auch ohne Förderung wirtschaftlich darstellen. Doch davon profitieren in erster Linie Einfamilienhausbesitzer. Es droht eine Gerechtigkeitsdebatte zwischen Wohnhauseigentümern und Wohnungsmietern. Zwar gibt es auch Geschäftsmodelle für solare Eigenverbrauchsanlagen bei Mehrfamilienhäusern, die Einflussmöglichkeiten der einzelnen Mieter sind aber begrenzt, wenn Hausbesitzer und Wohnungsnachbarn nicht mitziehen. Außerdem steht ein Teil der Modelle auf der Abschussliste der Politik.
Kleinere Guerilla-Photovoltaikanlagen im Leistungsbereich von einigen Hundert Watt, die einfach und unbürokratisch angeschlossen werden, können eine Antwort auf diese Entwicklung sein. Wer kein eigenes Dach, sondern nur einen Balkon hat, kann dann trotzdem Teil der Energierevolution sein. Für das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden ist das ein entscheidender Schritt. Wenn am Ende alle vom Eigenverbrauch profitieren können, müssen Ungerechtigkeiten nicht durch Umlagen oder Abgaben ausgeglichen werden. Doch statt diese Entwicklung zu unterstützen, mehren sich die kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen.
Ein Argument ist dabei, dass viele Guerilla-Anlagen keine Netzdienstleistungen erbringen und von den Energieversorgern und Netzbetreibern nicht überwacht und in Planungen mit einbezogen werden können. Mit einem Staubsauger gelingt das aber auch nicht und dessen Leistung liegt deutlich über der typischen Guerilla-PV-Anlage. Gehen wir einmal optimistischer Weise davon aus, dass fünf Millionen Kleinstanlagen mit einer Leistung von je 500 Watt erreichbar sind. Dann reden wir über eine Gesamtleistung von 2,5 Gigawatt. Die deutschen Staubsauger erreichen zusammen locker 50 Gigawatt. Zwar laufen im Gegensatz zu Solaranlagen nie alle Staubsauger gleichzeitig, doch zeigt der Vergleich, dass der Einfluss der Anlagen auf die Energieversorgung überschaubar bleiben wird.
Deutlich mehr Gewicht haben Fragen zur Anlagensicherheit. Hier darf es keine Kompromisse geben und viele Anbieter müssen noch nachbessern. Im Fehlerfall muss sich die Anlage sicher vom Netz trennen. Ein Berührungsschutz ist Pflicht. Auch die mechanische Sicherheit und eine sichere Befestigung müssen gegeben sein. Wenn allerdings der Netzanschluss stets durch einen Elektriker erfolgen muss, zerstört das die Wirtschaftlichkeit der Kleinstanlagen. In punkto Netzanschluss sind daher dringend innovative Ideen gefragt. Einen Staubsauger darf schließlich auch jedes Kind anschließen.
Verhindern lassen sich Kleinstsysteme generell nicht. Spätestens wenn ein chinesischer Hersteller über einen deutschen Discounter ein Schnäppchenangebot anbietet, werden die verkauften Stückzahlen sprunghaft in die Höhe schnellen. Dass solche Angebote kommen werden ist sicher. Schließlich ist Deutschland nicht der einzige Markt für Guerilla-Systeme und in vielen anderen Ländern spielen Sicherheitsaspekte nicht so eine große Rolle wie bei uns.
Die Branche ist nun gefordert, die offenen Fragen schnellstmöglich zu beantworten, denn die Guerilla-Systeme bieten neben
einigen Risiken auch enorme Chancen. Sie können die Begeisterung für die Energierevolution neu entfachen und damit auch
größeren Anlagen zu einer noch schnelleren Verbreitung verhelfen. Denn eines ist klar: Die Widerstände gegen die
Energierevolution werden noch weiter zunehmen. Daher brauchen wir mehr und nicht weniger Guerilla.
Eine Vielzahl an Artikeln behandelt aktuelle Themen der Energiepolitik, des Klimaschutzes und des Einsatzes erneuerbarer Energien.
In verschiedenen Print-, Radio- und TV-Interviews nimmt Volker Quaschning Stellung zu aktuellen Fragen über die Energiewende und eine klimaverträgliche Energieversorgung.
Das Wachstum erneuerbarer Energien steigt kontinuierlich. 2023 haben erneuerbare Energien bereits einen Anteil an der weltweiten Kraftwerksleistung von 45 Prozent erreicht. Kernkraftwerke liegen dagegen nur noch bei 4 Prozent. Für wirksamen Klimaschutz muss der Ausbau erneuerbarer Energien aber noch weiter gesteigert werden.
Die Kohlendioxidemissionen in Deutschland sind im Jahr 2023 gesunken: Gutes Wetter und schlechte Konjunktur sind die Treiber. Doch schon für 2024 wird von einem erneuten Anstieg der Treibhausgas-Emissionen ausgegangen. Das Einhalten der deutschen Klimaschutzziele für die Jahre 2030 und 2045 ist derzeit unrealistisch.
Früher oder später werden Gerichte eine Klimaschutzpolitik einfordern, die
auch Gesetze und Ziele einhält. Beschließen also ausgerechnet Merz oder Söder dann
ein Tempolimit?
Am 14. Mai wurde in Deutschland so viel Solarstrom ins Netz eingespeist wie noch
nie. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Nachbarländer, speziell auf die
Atomkraft-Ambitionen in Frankreich.