Der unterschätze Markt
erschienen in BWK Bd. 64 (2012) Nr. 7/8, S.25-28
Bis Ende 2011 wurden in Deutschland Photovoltaik-Systeme mit einer
Leistung von 25 GW installiert, davon 7,5 GW alleine im Jahr 2011. Diese speisen überwiegend
direkt in das Stromnetz ein. Viele Studien erwarten für die Photovoltaik künftig einen deutlich
geringeren Zubau. Doch bereits heute können Haushalte auf dem eigenen Dach Solarstrom
günstiger produzieren, als der Strombezug aus dem Netz kostet. Dadurch wird sich der Trend
sehr schnell zu Eigenverbrauchssystemen mit Batterien oder thermischen Speichern entwickeln.
Eine aktuelle Untersuchung der HTW Berlin zeigt, dass die Potenziale von Photovoltaik-Systemen
in Kombination mit Batterie- und Wärmespeichern erheblich unterschätzt werden.
Insgesamt 141 TWh an elektrischer Energie haben die Haushalte in Deutschland 2010 verbraucht. Dies
entspricht 27 % des gesamten Strombedarfs [1]. 60,6 TWh, also rund 43 % des Haushaltsbereichs werden in den 12,9
Mio. Einfamilienhäusern benötigt (Tabelle 1), die zugleich meist über ausreichend Dachflächen für Photovoltaik-
Systeme (PV-Systeme) verfügen, um ihren Strombedarf in der Jahresbilanz mit Solarstrom zu decken.
Tabelle 1: Abschätzung des Stromverbrauchs im Haushaltssektor [2; 3].
| Einfamilienhaus | Zweifamilienhaus | Mehrfamilienhaus |
Wohneinheiten in Mio. | 12,9 | 4,7 | 20,8 |
Personen pro Wohneinheit | 2,7 | 2,3 | 1,7 |
Strombedarf pro Wohneinheit in kWh/a | 4 700 | 3 850 | 3 000 |
Strombedarf insgesamt in TWh/a | 60,6 | 18,1 | 62,4 |
Während viele PV-Systeme in der Vergangenheit als rein netzgekoppelte Systeme unabhängig vom Verbrauch im
Haushalt betrieben wurden, werden Eigenverbrauchssysteme künftig den Markt dominieren. Aus ökonomischen
Gründen ist es inzwischen sinnvoll, einen möglichst großen Anteil des erzeugten Solarstroms zeitgleich selbst zu verbrauchen.
Speicher werden dabei zunehmend an Bedeutung gewinnen. Um zu bestimmen, welcher Anteil des erzeugten
Solarstroms zeitgleich zur Deckung des Strombedarfs beitragen kann, sind zeitlich hochaufgelöste Last- und
PV-Erzeugungsprofile erforderlich. Für ein typisches Einfamilienhaus wurden anhand meteorologischer Daten des
Standorts Berlin mit der VDI 4655 [3] minütlich aufgelöste Lastgänge für Strom, Warmwasser und Heizung erstellt. Das
durchschnittliche Einfamilienhaus hat dabei eine Wohnfläche von 127 qm, einen Jahresstrombedarf von 4 700 kWh
und einen Wärmebedarf für Trinkwasser von jährlich 1 350 kWh sowie für Heizungswärme von knapp 14 800 kWh. Die
Verbräuche und erstellten Lastprofile waren Grundlage der Simulationsberechnungen für verschiedene PV-Systeme
in Kombination mit elektrischen und thermischen Speichern.
Neue Photovoltaiksysteme
In einer dynamischen Simulation mit minütlicher Auflösung wurde das Systemverhalten eines PV-Systems mit
elektrischem und thermischem Speicher in dem beschriebenen durchschnittlichen Einfamilienhaus untersucht. Der
Aufbau des Systems geht aus Bild 1 hervor.

Bild 1: PV-Eigenverbrauchssystem mit Batterie- und Wärmespeicher.
Untersucht wurde jeweils ein PV-System mit einer Leistung von 5 kW und einem spezifischen Jahresertrag von 958
kWh/kW. Hierbei deckt das PV-System in erster Linie die elektrische Last im Haushalt. Überschüsse werden zunächst
elektrochemisch in einer Batterie mit einer nutzbaren Kapazität von 5 kWh gespeichert. Bei vollem Ladezustand der
Batterie erfolgt die Beladung eines konventionellen Kombi-Wärmespeichers mit einer Größe von 800 l und einer
nutzbaren Speicherkapazität von 37,3 kWh über eine Heizpatrone. Auf eine effizientere Wärmepumpe wurde bewusst
verzichtet, da die Heizpatrone vergleichsweise geringe Investitionskosten verursacht. Ist eine Wärmepumpe bereits
vorhanden oder die Realisierung geplant, kann diese die Heizpatrone direkt ersetzen. Wird im Speicher die
Maximaltemperatur von 70 °C erreicht, erfolgt schließlich eine Einspeisung in das öffentliche Netz. Bild 2 zeigt beispielhaft
den zeitlichen Verlauf der Systemleistungen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Juni.

Bild 2: Verlauf von Erzeugung und Last für zwei Tage im Juni für das durchschnittliche Einfamilienhaus.
Kann die elektrische Last nicht durch die momentane PV-Leistung gedeckt werden, wird der Batteriespeicher entladen.
Nachdem die Batterie den minimalen Batterieladezustand von 40 % erreicht hat, werden die Verbraucher mit Strom aus dem Netz
versorgt. Bild 2 zeigt, dass auch an sonnigen Sommertagen der Großteil des erzeugten Solarstroms durch die elektrische und
thermische Speicherung vor Ort genutzt werden kann.
100 % Eigenverbrauch sind möglich
Um Aussagen zu den jahresmittleren Eigenverbrauchsanteilen der Systeme zu machen, wurden die Simulationsberechnungen
über ein gesamtes Jahr durchgeführt und dabei die Leistung des PV-Systems variiert. Bild 3 stellt die Simulationsergebnisse
der verschiedenen Eigenverbrauchssysteme in Abhängigkeit der PV-Leistung dar. Mit zunehmender PV-Systemgröße
sinkt generell der Eigenverbrauchsanteil. Ohne Speicher können mit kleinen PV-Systemen bis zu 70 % des
erzeugten Solarstroms zeitgleich verbraucht werden. Bei einer PV-Systemgröße von 5 kW beträgt der Eigenverbrauch
nur noch rund 30 %. Zusätzliche Batterie- oder Wärmespeicher erhöhen den Eigenverbrauchsanteil je nach PV-Systemgröße
um 25 bis 50 Prozentpunkte. Dadurch lässt sich bei kleinen PV-Systemen sogar der gesamte Solarstrom
zeitgleich nutzen. Erst durch die Kombination von Batterie- und Wärmespeichern können Eigenverbrauchsanteile
über 80 % auch mit größeren PV-Systemen erzielt werden.

Bild 3: Eigenverbrauchsanteile in Abhängigkeit der PV-Leistung bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus für verschiedene
Systemvarianten bei einem spezifischen jährlichen PV-Ertrag von 958 kWh/kW.
Um Aussagen zu den jahresmittleren Eigenverbrauchsanteilen der Systeme zu machen, wurden die Simulationsberechnungen
über ein gesamtes Jahr durchgeführt und dabei die Leistung des PV-Systems variiert. Bild 3 stellt die Simulationsergebnisse
der verschiedenen Eigenverbrauchssysteme in Abhängigkeit der PV-Leistung dar. Mit zunehmender PV-Systemgröße
sinkt generell der Eigenverbrauchsanteil. Ohne Speicher können mit kleinen PV-Systemen bis zu 70 % des
erzeugten Solarstroms zeitgleich verbraucht werden. Bei einer PV-Systemgröße von 5 kW beträgt der Eigenverbrauch
nur noch rund 30 %. Zusätzliche Batterie- oder Wärmespeicher erhöhen den Eigenverbrauchsanteil je nach PV-Systemgröße
um 25 bis 50 Prozentpunkte. Dadurch lässt sich bei kleinen PV-Systemen sogar der gesamte Solarstrom
zeitgleich nutzen. Erst durch die Kombination von Batterie- und Wärmespeichern können Eigenverbrauchsanteile
über 80 % auch mit größeren PV-Systemen erzielt werden.
Grid-Parity erreicht, Oil-Parity erwartet
Während sich heute die zuvor beschriebenen Systeme mit hohem Eigenverbrauch nur im Einzelfall rechnen,
werden diese bereits in sehr absehbarer Zeit ökonomisch höchst attraktiv. Bei Einfamilienhäusern wurde Anfang 2012
bereits die Grid-Parity erreicht (Bild 4). Es ist heute bereits ökonomisch sinnvoll, einen möglichst hohen Anteil des Solarstroms
selbst zu verbrauchen, anstatt ihn für den niedrigeren EEG-Tarif ins Netz einzuspeisen. Für Batteriesysteme
oder den Anschluss an das Heizungssystem sind zusätzliche Investitionskosten erforderlich. Mit zunehmendem Abstand
zwischen den Haushaltsstrompreisen und dem EEG-Einspeisetarif lassen sich diese Zusatzkosten durch den
Kostenvorteil beim Eigenverbrauch voraussichtlich bereits in zwei bis drei Jahren problemlos refinanzieren.

Bild 4: Vergleich der Kostenentwicklung der EEG-Vergütung für Photovoltaik-Systeme mit
einer installierten Leistung von weniger als 10 kW mit den Haushaltsstrompreisen.
Die thermische Nutzung von Solarstrom wird ökonomisch erst attraktiv, wenn die möglichen Brennstoffeinsparungen
beim Heizungssystem über dem EEG-Einspeisetarif liegen. Je nach Kostenentwicklung beim Ölpreis ist die Oil-Parity
bereits zwischen den Jahren 2015 und 2016 zu erwarten (Bild 5). Bei Gasheizungen wird dieser Zeitpunkt vermutlich
zwei Jahre später eintreten.

Bild 5: Entwicklung der EEG-Vergütung für Photovoltaik-Systeme mit einer installierten Leistung von weniger als 10 kW
und Brennstoffkosten für ein Heizungssystem mit einem Öl-Kessel mit einem Wirkungsgrad von 80 %.
Unterschätztes Potenzial
Viele aktuelle Studien, wie die des Sachverständigenrats für Umweltfragen SRU oder die Leitstudie im Auftrag des
Bundesministeriums für Umwelt BMU, gehen davon aus, dass die installierte Photovoltaikleistung in Deutschland bis
zum Jahr 2050 deutlich unter 100 GW bleiben wird [4; 5]. Sie vergleichen dabei die Kosten der verschiedenen Energiesysteme
aus Sicht eines Versorgers und vernachlässigen dabei vollständig, dass sich gerade durch Eigenverbrauchssysteme
für die Stromkunden wirtschaftliche Potenziale ergeben, die erheblich über 100 GW liegen.
Tabelle 2: Potenzial von PV-Eigenverbrauchssystemen in Einfamilienhäusern.
| nur PV | PV mit Batterie | PV mit Wärme- speicher | PV mit Batterie und Wärme- speicher |
PV-Leistung je Haushalt in kWp | 2 | 3 | 4 | 7 |
nutzbare Batteriekapazität in kWh | - | 5 | - | 5 |
Wärmespeichervolumen in l | - | - | 800 | 800 |
Eigenverbrauchsantil in % | 50 | 86 | 85 | 83 |
PV-Potenzial in Deutschland in GWp | 26 | 39 | 52 | 90 |
Bereits heute bedeuten hohe Eigenverbrauchsanteile für den Anlagenbetreiber Mehrerträge gegenüber eingespeisten
Energiemengen, da die Strombezugskosten größer sind als die Einspeisevergütung. Folglich gibt es einen großen
Markt für eigenverbrauchserhöhende Systeme und Anwendungen, der sich mit Batteriespeichern sowie thermischen Speichern
bedienen lässt. Dies führt gleichzeitig zu einer höheren Unabhängigkeit künftiger Energiepreissteigerungen,
da ein immer größerer Teil des Strom- und Wärmebedarfs direkt auf dem Hausdach produziert wird. Bereits
die Potenziale für PV-Eigenverbrauchssysteme für Einfamilienhäuser übersteigen die unterstellte Gesamtinstallation
der genannten Studien. Tabelle 2 fasst die Potenziale der verschiedenen Systemvarianten für Einfamilienhäuser
zusammen. Durch die Kombination von PV-Systemen mit elektrischen und thermischen Speichern können Potenziale
erschlossen werden, die bis zu 90 GW betragen. Eine weitere Steigerung dieser Potenziale ist durch die flächendeckende
Einführung der Elektromobilität möglich, die aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung war. Zu den bereits
sehr großen Potenzialen für Einfamilienhäuser kommen die Potenziale für Mehrfamilienhäuser sowie Gewerbe- und
Industriebetriebe hinzu, die jeweils noch einmal in der gleichen Größenordnung liegen. Damit ist zu erwarten, dass
die installierte Photovoltaikleistung in Deutschland in bereits absehbarer Zeit eine Leistung von 200 GW erreichen
kann und damit 20 bis 30 % der Gesamtstromversorgung decken wird.
Literatur
[1] Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (Hrsg.): Auswertungstabellen zur Energiebilanz Deutschland. Daten für die Jahre 1990 bis 2010. Berlin, 2011.
[2] Statistisches Bundesamt, „Haus- und Grundbesitz sowie Wohnverhältnisse privater Haushalte“. Wiesbaden, 2009.
[3] VDI, „VDI 4655 – Referenzlastprofile von Ein- und Mehrfamilienhäusern für den Einsatz von KWK-Anlagen“. Berlin: Beuth Verlag, 2008.
[4] Sachverständigenrat für Umweltfragen SRU (Hsrg.): Wege zur 100 % erneuerbaren Energieversorgung. Sondergutachten, Berlin, 2011.
[5] DLR; Fraunhofer IWES; IFNE: Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global. BMU Schlussbericht, 2012.
Autoren
Prof. Dr. Volker Quaschning, Jahrgang 1969, seit 2004 Professor für das Fachgebiet regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Vorher
an der TU Berlin und beim DLR an der Plataforma Solar de Almería tätig.
B.Sc. Johannes Weniger und B.Sc. Tjarko Tjaden, Studium der Umwelttechnik/Regenerative Energien an der
HTW Berlin. Untersuchung zu PV-Eigenverbrauchssystemen mit Batterie- und Wärmespeichern.
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