Seit Bundesumweltminister Altmaier Ende Januar seine Vorschläge zur Strompreis-Sicherung im EEG vorgestellt hat, ist die
Erneuerbare-Energien-Branche in heller Aufregung. Werden alle Vorschläge umgesetzt, könnte der Neubau von Photovoltaik-
und Windkraftanlagen an Land weitgehend zum Erliegen kommen. Ein Bereich ist besonders in den Fokus des Umweltministers
gerückt: Der Eigenverbrauch. Dabei hat die Bundesregierung den Eigenverbrauch von Solarstrom in den letzten Jahren durch
spezielle Eigenverbrauchstarife im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) selbst stark vorangetrieben. Mit der letzten EEG-Novelle
wurde dann festgelegt, dass die Vergütung für neue Photovoltaikanlagen null beträgt, sobald die installierte Photovoltaikleistung
in Deutschland 52 Gigawatt überschreitet. Dies könnte in zwei oder drei Jahren der Fall sein. Dann liegt die Photovoltaikvergütung
unter der von Kernkraft- oder Braunkohlekraftwerken, die eigentlich im Zuge der Energiewende durch erneuerbare Energien ersetzt
werden sollen. Als Begründung wurde seinerzeit angeführt, die Photovoltaik könne sich dann über die Kostenvorteile des Eigenverbrauchs
sehr gut selbst tragen und brauche keine Förderung mehr. Genau dieses Geschäftsmodell ist jetzt aber unter Beschuss.
Seit neuestem kritisiert das Umweltministerium: "Der Eigenverbrauch nimmt zu, weil immer mehr Unternehmen und Private die
Kostenvorteile, die damit verbunden sind, erkennen und nutzen. Deshalb liegen auch hier enorme Risiken, insbesondere für die
Zukunft." und fordert "Die Eigenstromerzeugung bzw. der Eigenstromverbrauch wird ebenfalls mit einer Mindestumlage belastet,
um eine weitere Entsolidarisierung bestimmter Stromverbraucher zu verhindern."
Für die 180-Grad-Wende des Umweltministeriums beim Eigenverbrauch gibt es eigentlich nur eine Erklärung. Durch den schnellen
Ausbau der Photovoltaik geraten zunehmend die konventionellen Kraftwerke der großen Energieversorger in Bedrängnis. Die
Solarenergie zerstört schlichtweg deren Geschäftsmodelle. Eine schon bald kommende Nullvergütung für neue Photovoltaikanlagen
im EEG in Kombination mit einer Umlage auf den Eigenverbrauch soll nun offensichtlich Tabula rasa machen und die
Solarenergiezubau in Deutschland weitgehend zum Erliegen bringen.
Die Argumentation von Herrn Altmaier ließe sich auf tausende andere Bereiche übertragen. Fahrradfahrer entsolidarisieren
sich vom öffentlichen Nahverkehr, die eigene Zucht von Biotomaten auf dem Balkon verteuert womöglich die Tomaten im Laden
nebenan und die Regentonne zur Gartenbewässerung erhöht die Wasserpreise. Soll es nun auch eine Fahrradsteuer, eine
Regentonnengebühr und eine Balkontomatenabgabe geben?
Ein Hauptziel der Energiewende war doch ursprünglich, Kernkraftwerke und klimaschädliche Kohlekraftwerke durch erneuerbare
Energien zu ersetzen. Da drängt sich unweigerlich die Frage auf, warum der Eigenverbrauch von Solarstrom bei privaten
Haushalten mit einer Umlage belastet werden soll, der Eigenverbrauch von Kraftwerken der großen Energiekonzerne hingegen
nicht. Deren fossile Kraftwerke und Kernkraftwerke verbrauchen nämlich einen nicht unerheblichen Teil des von ihnen erzeugten
Stroms selbst und das ebenfalls ganz ohne EEG-Umlage. Der Eigenverbrauch bei diesen Kraftwerken liegt in der Größenordnung
mehrerer Großstädte. Um in den Worten des Umweltministers zu reden: Die großen Energiekonzerne haben sich schon seit langem
entsolidarisiert. Ruft man sich die Ziele der Energiewende in Erinnerung, wäre es doch nur konsequent und gerecht, wenn
anstelle des Eigenverbrauchs von Solaranlagen der Eigenverbrauch von Kohle- und Kernkraftwerken künftig der Umlagepflicht
unterliegt. Würde der gesamte Eigenverbrauch der Energieversorger mit der EEG-Umlage belastet, ließe sich die EEG-Umlage
sofort um fast 1 Cent/kWh senken, Haushalte um bis zu 50 Euro pro Jahr entlasten und die Strompreisdiskussion erst einmal beenden.
Momentan sind die Gewinne der Energiekonzerne groß genug, dass sie die dadurch für sie entstehenden Mehrkosten problemlos
schultern könnten.
Da das Hauptziel der Vorschläge aus dem Umweltministerium aber inzwischen offensichtlich der Schutz der Großkonzerne vor
regenerativen Energieanlagen und nicht die gerechte Verteilung der Kosten ist, wird die Eigenverbrauchsumlage für
Energiekonzerne sicher nicht kommen. Ein Grund mehr für alle Bürgerinnen und Bürger eine gerechte Verteilung der Lasten
der Energiewende und eine Beteiligung der Konzerne endlich einzufordern. Lieber Herr Altmaier: "Wir wollen eine
Eigenverbrauchsumlage für Kern- und Kohlekraftwerke."
Im ursprünglichen Vorschlag zur Strompreissicherung von Bundesumweltminister Altmaier vom 28.01.2013 sollte eine Umlage
für den Eigenverbrauch vor allem für alle "neuen Tatbestände" erhoben werden. Nach der Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium
vom 13.02.2013 soll die Umlage erst einmal nur Anlagen mit einer Leistung von mehr als 2 MW treffen. Kleinere Photovoltaikanlagen
wären damit vorerst ausgenommen. Übergangslösungen für Altanlagen werden mit dem neuen Vorschlag nicht mehr gefordert. Auf
Rückfrage durch die Photovoltaik-Redaktion beim BMU wurde bestätigt, dass nun auch konventionelle Kraftwerke betroffen wären.
Bei der Höhe der im Vorschlag erwarteten Einnahmen kann die Umlage dort aber nur marginal ausfallen. Es kann nur spekuliert
werden, was den plötzlichen Sinneswandel ausgelöst hat. Möglicherweise hatte man Sorge vor dem Zorn der Einfamilienhausbesitzer
und möchte die Eigenverbrauchsumlage erst einmal generell im Gesetz verankern. Diese lässt sich dann bei Gefahr für die
Energiekonzerne recht einfach auch auf Kleinanlagen ausweiten und für "neue Tatbestände" höher gewichten.
Eine Vielzahl an Artikeln behandelt aktuelle Themen der Energiepolitik, des Klimaschutzes und des Einsatzes erneuerbarer Energien.
In verschiedenen Print-, Radio- und TV-Interviews nimmt Volker Quaschning Stellung zu aktuellen Fragen über die Energiewende und eine klimaverträgliche Energieversorgung.
Die weltweite Elektrizitätserzeugung regenerativer Kraftwerke steigt kontinuierlich an: Sie ist nun rund viermal so groß wie die der Kernkraft. Im Jahr 2023 konnte bereits über ein Drittel des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden. Moderne Anlagen auf Basis von Wind und Sonne laufen bald der klassischen Wasserkraft den Rang ab.
Die Kohlendioxidemissionen in Deutschland sind im Jahr 2023 gesunken: Gutes Wetter und schlechte Konjunktur sind die Treiber. Doch schon für 2024 wird von einem erneuten Anstieg der Treibhausgas-Emissionen ausgegangen. Das Einhalten der deutschen Klimaschutzziele für die Jahre 2030 und 2045 ist derzeit unrealistisch.
Früher oder später werden Gerichte eine Klimaschutzpolitik einfordern, die
auch Gesetze und Ziele einhält. Beschließen also ausgerechnet Merz oder Söder dann
ein Tempolimit?
Am 14. Mai wurde in Deutschland so viel Solarstrom ins Netz eingespeist wie noch
nie. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Nachbarländer, speziell auf die
Atomkraft-Ambitionen in Frankreich.