Wirklich retten lässt sich das Klima nur, wenn alle Länder der Erde ihre Treibhausgasemissionen schnellstmöglich auf nahezu
null zurückfahren. Viele können sich aber ein Leben jenseits von Erdöl, Erdgas oder Kohle überhaupt nicht vorstellen.
Dabei ist es nicht einmal 300 Jahre her als regenerative Energien die Energieversorgung der Erde vollständig deckten.
In gut 200 Jahren wird die weltweite Energieversorgung ziemlich sicher auch wieder vollständig kohlendioxidfrei sein.
Denn bis dahin sind spätestens auch die letzten Vorkommen an fossilen Energieträgern erschöpft. Als Folge der dann rund
500-jährigen Geschichte der Nutzung fossiler Energieträger würde bis dahin das Klima völlig kollabieren. Wollen wir das
Klima weitgehend retten, muss uns eine kohlendioxidfreie Energieversorgung bereits deutlich früher gelingen. Rund 30 Jahre
haben wir dafür noch Zeit.
Ein Klimaschutzszenario für Deutschland soll aber zuerst zeigen, wie ein schneller Weg für die Energiewende hin zu einer nachhaltigen
und kohlendioxidfreien Energieversorgung aussehen könnte und welche Rolle regenerative Energien dabei spielen. Die Verantwortung, die
dabei auf Deutschland lastet, ist enorm. Viele andere Industrieländer schauen gebannt auf Deutschland und ob es gelingt, die
vollmundig verkündete Energiewende auch problemlos umzusetzen. Wenn wir dabei Erfolg haben, wird sich dieser von selbst auf den
Rest der Welt übertragen.
Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Möglichkeiten zur Nutzung regenerativer Energien in Deutschland alles andere als
optimal. Wenn es aber gelingt, ein bevölkerungsreiches Industrieland wie Deutschland mit nur mäßigen regenerativen
Energiepotenzialen vollständig durch erneuerbare Energien zu versorgen, sollte dies für andere Länder erst recht kein Problem
darstellen. Die Voreiterrolle Deutschlands bietet auch langfristig zahlreiche Vorteile. Für Deutschland zahlt sich diese Rolle
bereits jetzt schon aus. Regenerative Energietechnologien entwickeln sich zu Exportschlagern für die deutsche Industrie.
Ein Selbstläufer ist das hier skizzierte Klimaschutzszenario dennoch nicht. Gerade die Profiteure und Anhänger der
klassischen Energiewirtschaft versuchen, den Wechsel bei der Energieversorgung zu verzögern. Kostenargumente sollen dabei belegen,
dass ein schneller Umbau für die deutsche Wirtschaft und die Bevölkerung nicht verkraftbar ist. Die Transformation zu einer
nachhaltigen Energieversorgung ist natürlich mit erheblichen Investitionen verbunden. Langfristig lassen sich durch eine
kohlendioxidfreie Energieversorgung aber erhebliche Kosten einsparen, die für die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels
und stetig steigende Kosten für fossile Energieträger aufzuwenden wären. Durch die Widerstände vollzieht sich der Wandel derzeit
leider noch nicht im nötigen Tempo. Durch eine leichte Steigerung bei der Umbaugeschwindigkeit ließe sich aber dennoch eine
kohlendioxidfreie Energieversorgung in Deutschland bereits bis zum Jahr 2040 erreichen, wie das folgende Klimaschutzszenario belegt.
Die Entwicklung des gesamten Primärenergiebedarfs in Deutschland gibt einen Überblick über die nötigen Veränderungen.
Dieser umfasst ursprüngliche Energieformen wie Kohle, Erdöl, Erdgas, Uran aber auch regenerative Energien. Auch Wasserstoff
wird hier analog zum Strom aus regenerativen Kraftwerken als Primärenergieträger aufgeführt, obwohl dieser erst durch regenerativen
Strom hergestellt werden muss. Beim energetischen Primärenergieverbrauch hatten im Jahr 1990 fossile Energien und die Kernenergie
zusammen einen Anteil von fast 99 Prozent. Regenerative Energien trugen in diesem Jahr also nur gut ein Prozent zur Deckung des
Energiebedarfs bei. Bis zum Jahr 2012 stieg der Anteil regenerativer Energien bereits auf 12 Prozent an. Bis zu einer
hundertprozentigen regenerativen Energieversorgung ist es aber immer noch ein recht weiter Weg.
Die Kernenergie hatte zwischen den Jahren 1990 und 2010 einen Anteil zwischen 10 und 14 Prozent. Im Jahr 2012 ist dieser
bereits auf 8 Prozent gefallen. Durch die Ausstiegsbeschlüsse sind ein kontinuierliches Sinken des Kernenergieanteils und
schließlich ein Ende der Kernenergienutzung in Deutschland bis zum Jahr 2022 zu erwarten. Ambitioniert ist dieser Ausstiegspfad
aber nicht. Es ist durchaus möglich, die Nutzung der Kernenergie in Deutschland schon einige Jahre vorher zu beenden.
Während der gesamte Primärenergiebedarf zwischen den Jahren 1990 und 2012 nur leicht gesunken ist, wird er durch effizientere
Energienutzung und sinkende Bevölkerungszahlen bis zum Jahr 2050 erheblich abnehmen. Da der Kraftwerkswirkungsgrad bei der
Berechnung des Primärenergieverbrauchs von Strom aus Windkraft-, Wasserkraft- oder Photovoltaikanlagen im Gegensatz zu Kohle-
und Atomkraftwerken nicht mit einbezogen wird, sinkt der Primärenergiebedarf zusätzlich durch statistische Effekte. Insgesamt
lässt sich der Primärenergiebedarf in Deutschland mehr als halbieren.
Für einen wirksamen Klimaschutz bereits im Jahr 2020 kommt aber die Umgestaltung der Energiewirtschaft in Deutschland etwa
10 bis 15 Jahre zu spät. Statt der empfohlenen Treibhausgasreduktionen von 50 Prozent sind eher 30 Prozent realistisch. Eine
Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke hätte auch nicht geholfen, die Ziele für das Jahr 2020 zu erreichen. Eine
Laufzeitverlängerung behindert den schnellen Umbau der Energiewirtschaft, ohne den nötigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Die Klimaschutzziele für die Jahre 2040 oder 2050 lassen sich jedoch problemlos erreichen, wenn der Weg dahin konsequent
eingeschlagen wird.
Der Energiemix im Jahr 2040 muss dazu auf einem breiten regenerativen Portfolio basieren. Aufgrund der geografischen Lage
sind dabei die Potenziale der Wasserkraft am geringsten. Neben heimischen regenerativen Energien kann auch der Import von
preiswertem Solar- und Windstrom aus sonnen- und windreichen Regionen in geringerem Umfang zu einer sicheren und kostengünstigen
Energieversorgung beitragen.
Während beim gesamten Primärenergiebedarf in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten ein großer Rückgang zu erwarten ist,
wird der Stromverbrauch vermutlich eher weiter ansteigen. Zwar sind auch beim Elektrizitätsbedarf große Einsparpotenziale
vorhanden. Der Trend zu immer mehr neuen Elektrogeräten sowie ein verstärkter Einsatz von Wärmepumpen und Elektroautos wird
dies jedoch mehr als kompensieren.
Der Umbau hin zu einer regenerativen Energieversorgung hat in der Elektrizitätswirtschaft bereits begonnen.
Im Jahr 1990 hatte lediglich die Wasserkraft mit rund 3 Prozent einen erwähnenswerten Anteil an der Elektrizitätsversorgung.
In den darauf folgenden 20 Jahren sind die Windkraft, Biomassenutzung und jüngst auch die Photovoltaik hinzugekommen.
Rund 23 Prozent betrug ihr gemeinsamer Anteil bereits im Jahr 2012. Bis zum Jahr 2020 können regenerative Energien bereits
die rund die Hälfte des Bedarfs decken und bis 2040 die gesamte Elektrizitätsversorgung sicherstellen.
Hierzu benötigen wir jedoch eine völlig andere Versorgungsstruktur als in der Vergangenheit. Fluktuierende regenerative
Kraftwerke werden dabei die größten Anteile übernehmen. Während bei der Wasserkraft in Deutschland praktisch kaum noch neue
Potenziale erschlossen werden können, verfügen die Windkraft und die Photovoltaik über die größten Ausbaumöglichkeiten. Rein
theoretisch könnten sowohl die Windkraft als auch die Photovoltaik jeweils alleine den gesamten Elektrizitätsbedarf in
Deutschland decken. In der Praxis ist dies jedoch wenig sinnvoll, weil durch das über das Jahr schwankende Angebot an
Windenergie und Solarstrahlung zu große und teure Speicher nötig wären. Bei einer sinnvollen Kombination verschiedener
regenerativer Energien reduziert sich der Speicherbedarf aber erheblich. Wegen ihrer großen Potenziale werden die Photovoltaik
und die Windkraft künftig zusammen mehr als zwei Drittel des jährlichen Bedarfs erzeugen.
Fossile Kraftwerke und Kernkraftwerke sind für eine sichere und klimaverträgliche Elektrizitätsversorgung spätestens bis
zum Jahr 2040 nicht mehr erforderlich und werden bereits vorher hinderlich. Mit Ausnahme von Gaskraftwerken können sie nicht
wie oft behauptet eine Brückenfunktion übernehmen. Speziell Braunkohle- und Kernkraftwerke sind schlecht regelbar und behindern
den intelligenten Betrieb in Netzen mit hohen Angebotsschwankungen. Gaskraftwerke lassen sich hingegen wesentlich schneller
regeln. Das fossile, klimaschädliche Erdgas lässt sich schließlich schrittweise durch Biogas und regenerativ erzeugten
Wasserstoff oder Methan ersetzen.
Anders als im Elektrizitätsbereich sind bei der Wärmeversorgung erhebliche Reduktionen des Energiebedarfs zu erzielen.
Die Einsparmöglichkeiten im Gebäudebereich machen eine Halbierung des Wärmebedarfs bis zum Jahr 2050 im Vergleich zum Jahr 1990
recht wahrscheinlich. Wichtig ist, dass die Politik dazu Modernisierungsmaßnahmen bei bestehenden Gebäuden stark forciert.
Im Jahr 2012 betrug der Anteil regenerativer Energien an der Wärmeversorgung gut 10 Prozent. Unter den erneuerbaren Energien
hatte vor allem die Biomasse – also Brennholz – den mit Abstand größten Anteil. Die Nutzungsmöglichkeiten der Biomasse
in Deutschland sind jedoch begrenzt. Daher werden auch bei der Wärmeversorgung verschiedene regenerative Energien die
Versorgung sicherstellen.
Aus heutiger Sicht scheint die klimaverträgliche Umgestaltung des Verkehrbereichs die größte Herausforderung zu sein.
Deutsche Automobilhersteller haben in jüngster Vergangenheit immer wieder eine große Spurtreue bei ihren Widerständen gegen
das Umsetzen von Klimaschutzmaßnahmen gezeigt. Führende Manager behaupteten sogar, dass die geforderten Einsparungen schlicht
physikalisch unmöglich wären. Dabei sind heutige Autos keineswegs energiespartechnische Wunderwerke. Selbst moderne
Verbrennungsmotoren erreichen im Optimalfall nur einen mittleren Wirkungsgrad von etwa 25 Prozent. Mindestens 75 Prozent des
Energiegehalts verpufft als Abwärme ungenutzt in die Umgebung. Blendet man einmal sämtliche Emotionen aus, mit denen das Thema
Auto in Deutschland offensichtlich verbunden ist, erscheint damit eine Halbierung des Energiebedarfs technisch durchaus möglich.
Durch neue innovative Antriebskonzepte wie Elektroautos oder Brennstoffzellenfahrzeuge lässt sich der Wirkungsgrad erhöhen,
der Energiebedarf reduzieren und mit regenerativen Energien letztendlich der Kohlendioxidbedarf auf null verringern.
Für herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren können kurzfristig Biomassetreibstoffe einen Teil des Treibstoffbedarfs decken.
Die Agrarflächen in Deutschland reichen aber nicht einmal annähernd aus, um mit Biomassetreibstoffen den Bedarf insgesamt decken
zu können. Hinzu kommt, dass ein Teil der verfügbaren Biomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung benötigt wird.
Durch deutliche Verbesserungen bei der Batterietechnik in den letzten Jahren können schon bald Elektroautos Serienreife
erlangen. In der Übergangszeit würden sie zwar noch teilweise durch Strom aus fossilen Kraftwerken aufgeladen und angetrieben.
Mit zunehmendem Anteil regenerativer Energien an der Stromversorgung sinken die Kohlendioxidemissionen dann aber schnell.
Mit regenerativem Wasserstoff betankte Brennstoffzellenautos werden aus heutiger Sicht später in den Markt kommen. Zwar
gibt es bereits heute beachtliche Fortschritte bei der Entwicklung der Brennstoffzellentechnik. Es fehlen aber noch Strukturen
für die kohlendioxidfreie Erzeugung und Verteilung von preiswertem Wasserstoff. Langfristig gesehen kann aber die
Wasserstofftechnik einen Beitrag zum Klimaschutz liefern. Damit ließe sich dann bis zum Jahr 2040 auch der Energiebedarf
des Verkehrsbereichs kohlendioxidfrei decken.
Eine Vielzahl an Artikeln behandelt aktuelle Themen der Energiepolitik, des Klimaschutzes und des Einsatzes erneuerbarer Energien.
In verschiedenen Print-, Radio- und TV-Interviews nimmt Volker Quaschning Stellung zu aktuellen Fragen über die Energiewende und eine klimaverträgliche Energieversorgung.
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