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Klimaschutz beim Wort genommen
Die Leistungsabgabe von Fotovoltaik- und Windkraftanlagen ergänzt sich gut.
Simulationen der Technischen Universität Berlin belegen, dass selbst bei
einer vollständigen Deckung des deutschen Strombedarfs mit regenerativen Energien
nur relativ geringe Speicherkapazitäten nötig wären.
Die Diskussion um den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie wirft Fragen zur Gestaltung einer
künftigen Elektrizitätsversorgung in Deutschland auf, denn es werden Alternativen benötigt,
mit denen sich langfristige Klimaschutzziele einhalten lassen. In einer umfangreichen Untersuchung an der
TU Berlin wurde ermittelt, welchen Beitrag hierzu regenerative Energien leisten könnten. Neben den
Potenzialen der einzelnen Energieträger sind hierbei aus technischer Sicht auch zeitliche Schwankungen
und der erforderlich werdende Speicherbedarf von Bedeutung.
Neue Klimarekorde weisen auf mögliche Folgen des anthropogenen Treibhauseffekts hin.
So war das Jahr 1998 das wärmste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen, und die Schäden auf Grund von
Naturkatastrophen waren die zweithöchsten die jemals verzeichnet wurden [1]. Bei der Planung der
künftigen Elektrizitätsversorgung in Deutschland ist deshalb sicherzustellen, dass ein wirksamer
Beitrag zum Klimaschutz unabhängig von Entscheidungen über eine künftigen Nutzung der
Kernenergie geleistet werden kann.
Ziel der neuen wie auch der vorigen Bundesregierung ist eine Verringerung der CO2-Emissionen von 25 %
gegenüber 1990 bis zum Jahr 2005. Dieses Ziels ist jedoch nur noch mit großen Anstrengungen erreichbar [2].
Das Reduktionsziel für das Jahr 2005 ist aber nur eine erste Etappe hin zu einem wirksamen Klimaschutz.
Langfristig müssen deutlich größere CO2-Reduktionen erreicht werden. Nach Empfehlungen der
Enquete-Kommission zum Schutz der Erdatmosphäre des Deutschen Bundestags sollten diese 50 % bis zum Jahr
2020 und 80 % bis zum Jahr 2050 betragen [3, 4]. Diese Reduktionen sind mit konventionellen Kraftwerken allein
selbst bei einem Verzicht auf einen Ausstieg aus der Kernenergienutzung nur schwer zu erreichen.
Stromerzeugungspotenziale aus regenerativen Energien
Obwohl die Fotovoltaik heute nur einen Anteil an der Elektrizitätsversorgung von deutlich unter einem Prozent hat,
verfügt sie über die größten Stromerzeugungspotenziale, wie folgendes Zahlenbeispiel verdeutlicht.
Würde man bei den in [5] für die Errichtung von Fotovoltaikanlagen ermittelten verfügbaren
Freiflächen, die knapp 5 % der Fläche Deutschlands umfassen, schattentolerante Fotovoltaiksysteme
einsetzen [6], ließe sich damit ein Jahresertrag erzielen, der dem Doppelten des heutigen
Elektrizitätsbedarfs in Deutschland von 503 TWh (Jahr 1997) entspricht.
Eine Nutzung von Freiflächen in diesem Umfang ist jedoch hinsichtlich großer Flächenversiegelungen
und Veränderungen des Landschaftsbildes nicht erstrebenswert. Deshalb wurde unterstellt, dass Fotovoltaikanlagen
hauptsächlich im Gebäudebereich auf Dachflächen und Fassaden eingesetzt werden. Unter Nutzung
schattentoleranter Systeme ergeben sich die in Abb. 1 dargestellten Potenziale, die bis zum Jahr 2050
erschlossen werden könnten.

Abb. 1: Installierbare Leistung der Fotovoltaik in Deutschland bis zum Jahr 2050.
Bei einem Systemnutzungsgrad von 13,5 % könnten insgesamt 175 TWh/a produziert werden.
Im Jahr 1997 wurden weltweit jedoch nur Fotovoltaikmodule mit einer Leistung von etwas mehr als 100 MWp produziert.
Zum Erschließen der Potenziale wäre ein erheblicher Ausbau der Produktion erforderlich.
Unterstellt man eine jährliche Steigerung der Produktion von 30 %, lassen sich in Deutschland bei einer
Nutzung von 10 % der Weltproduktion bis zum Jahr 2020 rund 18 GWp mit einem Stromerzeugungspotenzial von 15,5 TWh/a
(3 % des deutschen Strombedarfs des Jahres 1997) installieren. Die hierbei unterstellte Produktionssteigerung
liegt nur geringfügig über den Prognosen von 22 % der Shell AG [7] und ist hinsichtlich des derzeitigen
Neubaus großer Produktionsanlagen durchaus realistisch.
Das zweitgrößte Potenzial zur Stromerzeugung bei den regenerativen Energien besteht in Deutschland bei
der Windkraft. Die Stromerzeugungspotenziale wurden bereits in verschiedenen Studien ermittelt [3,5,8].
Ohne Nutzung von Offshore-Anlagen reichen die Angaben dabei bis deutlich über 120 TWh/a. Bei der
Windkraft wurden in Deutschland im Jahr 1998 etwa 800 MW installiert. Somit gibt es bei der Windkraft
im Gegensatz zur Fotovoltaik bereits große Produktionskapazitäten. Da jedoch Probleme unter
anderem bei der Genehmigung und Planung neuer Anlagen in Deutschland zu erwarten sind, wurde davon ausgegangen,
dass sich die Stromerzeugungspotenziale nicht im vollen Umfang erschließen lassen. Die realisierbaren
Potenziale der Windkraft sind in Abb. 2 dargestellt, wobei hier zwischen fünf verschiedenen Regionen
unterschieden wurde, die auch Offshore-Gebiete umfassen.

Abb. 2: Installierbare Leistung und Stromerzeugungspotenzial der Windkraft in Deutschland bis zum Jahr 2050
Beim Einsatz von Biomasse in Blockheizkraftwerken (BHKW) wurde ein Wandel zu einer ökologischen Landwirtschaft
angenommen. Die dadurch beschränkte Rohstoffproduktion in Deutschland ermöglicht eine BHKW-Leistung
von knapp 19 GW. Zur Abschätzung der Stromproduktion wurde angenommen, dass die Hälfte der Biomasse
in wärmegeführten BHKW mit 4.000 Vollaststunden pro Jahr und die andere Hälfte in
nachfragegeführten BHKW mit 2.000 Vollaststunden pro Jahr eingesetzt wird.
Aufgrund der Topographie von Deutschland gibt es bei der Wasserkraft nur noch geringe Ausbaupotenziale.
Schwankungen der Leistungsabgabe
Auf Basis von Studien der Prognos AG [10] und des Freiburger Öko-Instituts [11] sowie eigener detaillierter
Untersuchungen wurden zwei verschiedene Szenarien für eine mögliche Entwicklung des Elektrizitätsbedarfs
in Deutschland aufgestellt, die im folgenden als Trendszenario und Energiesparszenario bezeichnet sind. Das
Trendszenario ergibt sich aus der Fortschreibung der derzeitigen Entwicklung, während sich beim Energiesparszenario
bei gleichem Wirtschaftswachstum durch Erschließung von Einsparpotenzialen eine deutliche Reduktion des
Verbrauchs erreichen ließe (siehe Tab. 1).
Tab. 1: Jährliche Stromerzeugungpotenziale regenerativer Kraftwerke in Deutschland
bei einem unterstellten Ausbau für die Jahre 2020 bzw. 2050 sowie im Vergleich der
bundesweite Strombedarf heute und in den beiden ausgewählten Szenarien.
Energieträger |
Erzeugung heute a in TWh |
Ausbaumöglichkeiten bis zum Jahr 2020 in TWh |
gesamtes Ausbaupotenzial bis zum Jahr 2050 in TWh |
Fotovoltaik | 0,03 | 15,5 | 175 |
Windkraft (Land) | 4,6 | 24,2 | 85 |
Windkraft (Offshore) | --- | 29,9 | 79 |
Wasserkraft | 18,9 | 20,5 | 25 |
Biomasse-Reststoffe | 1,0 | 20,0 | 33 |
Energiepflanzen | --- | 5,0 | 17 |
Summe | 24,5 | 115,1 | 414 |
Stromverbrauch Trendszenario | 503 b | 618 | 719 |
Stromverbrauch Trendszenario | 503 b | 418 | 337 |

Abb. 3: Mögliche Entwicklung der Stromerzeugung aus regenerativen Energien und des Stromverbrauchs in Deutschland bis zum Jahr 2050
In Abb. 3 sind sowohl die zurückliegende als auch die für die Zukunft angenommene Stromerzeugung
regenerativer Kraftwerke für die zuvor erläuterten Ausbaustufen dargestellt. Weiterhin sind die
Entwicklung des Stromverbrauchs seit 1950 und die beiden Entwicklungspfade für das Trendszenario und das
Energiesparszenario eingezeichnet. Im Energiesparszenario kann der Strombedarf theoretisch ab dem Jahr 2045 zu
100 % regenerativ gedeckt werden. Der angenommene Ausbau im Jahr 2050 stellt für den Strombedarf im
Energiesparszenario von 337 TWh bereits eine erhebliche Überkapazität dar. Um eine vollständige
Deckung mit Strom aus regenerativen Energien zu simulieren, wurde deshalb ein Jahresstrombedarf von 418 TWh angenommen,
der dem Energiesparszenario des Jahres 2020 entspricht und für das Jahr 2050 als Mittelwert zwischen Trend- und
Energiesparszenario gewertet werden kann.
Um für den unterstellten Ausbau des regenerativen Kraftwerksparks für das Jahr 2050 den zeitlichen
Verlauf der Leistungsabgabe zu bestimmen, wurde eine umfangreiche Computersimulation durchgeführt.
Als Datenbasis dienten dazu Meßwerte der Globalstrahlung an 42 Standorten, der Windgeschwindigkeit
an 24 Standorten sowie der Wasserstände und Abflüsse verschiedener Gewässer für
68 Wasserkraftwerke in Deutschland. Obwohl es vor allem bei der Fotovoltaik erhebliche Schwankungen bei der
Leistungsabgabe im Laufe des Jahres gibt, weicht die monatsmittlere Leistungsabgabe des gesamten regenerativen
Kraftwerksparks bei den einzelnen Monaten um weniger als 10 % vom Jahresmittel ab. Die verschiedenen regenerativen
Kraftwerke ergänzen sich fast optimal (Abb. 4).

Abb. 4: Monatsmittlere Leistungsabgabe des regenerativen Kraftwerksparks im Jahr 2050 (Säulen) sowie Monatsmittelwerte der Stromerzeugung bei einem Jahresbedarf von 418 TWh (Linie)
Um eine gute Ausnutzung des Angebots der regenerativen Kraftwerke zu erreichen, sollten verschiedene
Maßnahmen wie Anpassung der Verbraucher an die Last ("Demand Management") und eine an das regenerative
Angebot angepasste Betriebsführung bestehender Pumpspeicherkraftwerke und neuer Biomasse-BHKWs durchgeführt
werden.
Obwohl sich der Anteil der regenerativen Energien an der Stromerzeugung bei den getroffenen Annahmen bis zum Jahr 2020
mehr als verfünffacht, sind bis dahin noch keine neuen Speicher erforderlich.
Auch bei einer vollständigen Deckung des angenommenen Strombedarfs von 418 TWh mit regenerativen Energien im Jahr
2050 wären nur Speicher mit einer maximalen Energiespeicherkapazität im Umfang von rund 13 TWh,
das entspricht 3 % der jährlichen regenerativen Erzeugung, notwendig. Diese Energiemenge könnte in
Form von Wasserstoff in bereits bestehenden Salzkavernen gespeichert werden, die bei der Erdgasspeicherung verwendet
werden. Die Speicher würden dann vor allem zum Ausgleich von Angebotsschwankungen innerhalb einiger Tage
benötigt, wie aus Abb. 5 für eine Woche mit verhältnismäßig hohen Fluktuationen im Dezember
dargestellt ist. Die bestehenden Pumpspeicherkraftwerke sind in der Simulation bereits berücksichtigt.

Abb. 5: Simulierte Zeitabhängige Leistungsabgabe der regenerativen Kraftwerke über 7 Tage in der zweiten Dezemberhälfte im Jahr 2050 sowie Verbrauch (Nettoverbrauch incl. Übertragungsverluste und Pumparbeit) bei einer jährlichen Nachfrage von 418 TWh
Möglichkeiten zur Reduktion von CO2-Emissionen
Mit einem Anteil von 38 % an den Emissionen von Kohlendioxid tragen die deutschen Kraft- und Fernheizkraftwerke
erheblichen zum Ausstoß von Treibhausgasen bei. Eine 50%ige Reduktion der CO2-Emissionen läßt s
ich bis zum Jahr 2020 generell nur schwer erreichen. Dies ist im Prinzip nur mit dem Energiesparszenario und
einem starkem Ausbau bei der Nutzung regenerativer Energien möglich. Zusätzlich wäre eine starke
Umgestaltung des fossilen Kraftwerksparks erforderlich. Aufgrund der noch zu schaffenden Produktionskapazitäten
für regenerative Kraftwerke können diese im Jahr 2020 jedoch nur ein Anteil zwischen 18 % und 28 % decken.
Vor allem der Neubau von modernen Erdgas-GuD-Kraftwerken und Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung kann zum
Erreichen der Klimaschutzziele beitragen. Herkömmliche Kohlekraftwerke erschweren dagegen den Klimaschutz.
Durch den hohen Anteil an regenerativen Energien könnten die Reduktionsziele für das Jahr 2050 deutlich
einfacher erreicht werden, da sich dadurch der Anteil der fossilen Kraftwerke stark verringern ließe.
Je nach Verbrauchsentwicklung könnten die regenerativen Energien bis zum Jahr 2050 zwischen 60 % und 100 % des
Elektrizitätsbedarfs decken und somit zu einem wirksamen Klimaschutz beitragen.
Literatur
[1] Münchener Rück: Jahresrückblick Naturkatastrophen 1998. München: Presseerklärung der
Münchner Rück von 29.12.1998.
[2] Markewitz, P.; Martinsen, D.: Kernenergie und zielorientierte CO2-Minderungsstrategie. In: Energiewirtschaftliche
Tagesfragen 49. Jg. (1999) Heft 1/2, S. 60-63.
[3] Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" des 11. Deutschen Bundestages (Hrsg.):
Schutz der Erdatmosphäre. Bonn: Economica Verlag, 1990.
[4] Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" des 12. Deutschen Bundestages (Hrsg.): Mehr Zukunft
für die Erde. Bonn: Economica Verlag, 1995.
[5] Kaltschmitt, M.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energieträger in Deutschland. Berlin: Springer Verlag, 1993.
[6] Quaschning, V.; Hanitsch, R.: Höhere Flächenausbeute durch Optimierung bei aufgeständerten Modulen.
In: Tagungsband 13. Symposium Photovoltaische Solarenergie, Staffelstein, 11.-13. März 1998, S. 427-431.
[7] Vahrenholt, F.: Globale Martkpotentiale für erneuerbare Energien. Hamburg: Deutsche Shell AG, 1998.
[8] v. Bierbrauer, H.; Ernst, H.; Klenk, H.; Merkel, C.; Peter, K.; v. Winning, H.: Darstellung realistischer Regionen
für die Errichtung insbesondere großer Windenergieanlagen in der Bundesrepublik Deutschland.
BMFT Forschungsbericht T 85-053, 1985.
[9] Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien IWR (Hrsg.): Strom aus erneuerbaren Energiequellen 1998.
Internet: http://www.uni-muenster.de/Energie/re/eu/e_dat.html.
[10] Prognos AG (Hrsg.): Energiereport II. Die Energiemärkte Deutschlands im zusammenwachsenden Europa -
Perspektiven bis zum Jahr 2020. Stuttgart: Schäffer Poeschel Verlag 1996.
[11] Öko-Institut e.V. (Hrsg.): Das Energiewende-Szenario 2020. Freiburg: Öko-Institut 1996.
[12] Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. VIK (Hrsg.): Statistik der Energiewirtschaft 1997/1998.
Essen, 1999.
Volker Quaschning, Rolf Hanitsch
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