photovoltaik
Zehn Jahre zurück

Interview erschienen in photovoltaik 03/2011
Solarförderung: Die Szenarien des Umweltrates sehen für das Jahr 2050 nur geringe Mengen Photovoltaikstrom vor. Volker Quaschning, Professor ab der HTW Berlin, erklärt, warum er das Potenzial des Solarstromes höher einschätzt und auch deshalb gegen die geforderte Zubaugrenze eintritt.

 

Der Umweltrat hält in seinem Gutachten eine Photovoltaikleistung von maximal 30 bis 40 Gigawatt im Jahr 2050 für sinnvoll. Liegt der Umweltrat an der Stelle richtig?

Ich begrüße das Gutachten erst einmal sehr. Die Autoren wollen bis 2050 100 Prozent erneuerbare Energien realisieren ohne die Kernenergie. Sie wollen auch die Laufzeiten nicht verlängern. Das sind ja alles die richtigen Annahmen und Schlüsse. Wir diskutieren nun nur noch, welchen Anteil die verschiedenen regenerativen Energien übernehmen werden. Der Umweltrat geht davon aus, dass ein Großteil des Stromes über Offshore-Wind und bestenfalls ein kleinerer Anteil über die Photovoltaik gedeckt werden wird. Dabei liegen Kostenannahmen zu Grunde. Mir scheint, dass die Autoren bei der Photovoltaik eher pessimistisch sind, was die Kostensenkung angeht. Bei der Offshore-Windenergie sind sie dagegen sehr optimistisch.

Wie schätzen Sie den Anteil ein, den Photovoltaik im Jahr 2050 abdecken könnte?

Zunächst kann man sich ansehen, wie viel man in Deutschland überhaupt installieren kann. Wenn man nicht stark auf Freiflächen gehen will, dann kann man eine Leistung von 100 und 200 Gigawatt aufbauen. Einen Ausbau in dieser Größenordnung halte ich auch für sinnvoll. Theoretisch könnte man auch ein Szenario entwickeln, in dem die Photovoltaik noch preiswerter wird, wenn man Freiflächen nutzt und noch mehr Leistung installiert. Das halte ich aber für wenig plausibel.

Warum ist es sinnvoll, das Potenzial von 100 bis 200 Gigawatt voll auszuschöpfen, wenn Potovoltaik angeblich so teuer ist?

Man muss sich erstens die Potenziale der einzelnen Erneuerbaren ansehen und zweitens, ob Photovoltaik wirklich so teuer ist. Es gibt die Wasserkraft, es gibt die Biomasse und es gibt die Geothermie. Die meisten Experten sind sich einig, dass man mit diesen drei nicht wesentlich mehr als 20 bis 30 Prozent der Stromversorgung decken kann. Für den Rest bleiben uns nur die Windenergie, der Import von regenerativem Strom und die Photovoltaik. Mit jeder dieser drei Varianten ist es gut möglich, über 50 Prozent der Stromversorgung zu decken. Dass der Import einen großen Anteil deckt, scheidet aus politischen Gründen aus, da man Abhängigkeiten vermeiden und eine große Versorgungssicherheit sicherstellen will. Auch in den Szenarien des Umweltrates kommt deswegen Import nur mit einem Anteil zwischen 10 und 20 Prozent vor. Für mehr als die Hälfte des Stromes kommen nur die Windenergie und die Photovoltaik infrage. Um alles mit Wind abzudecken, benötigt man einen sehr großen Offshore-Anteil. Da bei den großen benötigten Strommengen die Anlagen weit von der Küste weg stehen müssen, stellt sich auch da die Frage der Versorgungssicherheit und der Wirtschaftlichkeit. Ich halte deshalb für Windstrom einen Anteil von 30 bis 40 Prozent für realistisch. Dann bleibt ein Anteil von 10 bis 30 Prozent, für den wir die Photovoltaik benötigen.

Der Umweltrat argumentiert, dass es am biligsten wäre, den meisten Strom über Offshore-Windkraft zu erzeugen.

Das Energiekonzept des Gutachtens beschreibt ein zentralistisches System. Wir haben darin riesengroße Offshore-Windparks. Die ganze Nordsee steht voll. Von dort verteilen wir den Strom dann gleichmäßig über ganz Deutschland und speichern ihn irgendwo in Norwegen in Pumpspeicherkraftwerken. Technisch wird das sicher funktionieren. Ein anderer Ansatz ist, dass man die Anlagen gleichmäßig über Deutschland verteilt, also Photovoltaik und Windkraftanlagen Onshore, dort, wo der Verbrauch stattfindet. Dann ist der Transportaufwand geringer und man benötigt weniger Leitungen. Außerdem ergänzen sich Photovoltaik und Windkraft sehr gut, wodurch der Speicherbedarf im Vergleich zur Nutzung nur einer Technologie deutlich sinkt. Daraus ergibt sich ein Kostenvorteil, der in der Studie meines Erachtens nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Aber Photovoltaik soll bis 2050 knapp acht Cent, Offshore-Windstrom nur 3,5 Cent kosten. Wie kann Photovoltaik da konkurrieren?

Im Offshore-Bereich sind die Installationskosten deutlich höher als im Onshore-Bereich, weil die Gründung am Meeresboden aufwendig ist. Das kann man sicherlich in den Griff bekommen. Aber man wird trotzdem über den Kosten onshore liegen. Die Kosten liegen da zurzeit bei rund 7,8 Cent und nötige Materialien wie Stahl oder Kupfer werden deutlich teurer. Darunter zu kommen ist ein ambitioniertes Ziel. Es gab schon in den 90er-Jahren eine Euphorie bei der Offshore-Windenergie. Dann hat man gesehen, dass es schwieriger ist als man es sich am Anfang vorgestellt hat. Trotz einer relativ hohen Einspeisevergütung von 15 Cent geht der Ausbau auch jetzt noch relativ zögerlich voran.

Sind die Kosten für die Photovoltaik, knapp acht Cent im Jahr 2050 realistisch?

Heute sind 28 Cent pro Kilowattstunde kostendeckend für Kleinanlagen und 21 Cent für Freiflächenanlagen. Im Mittel kostet Photovoltaik heute also ungefähr 25 Cent. In der Studie erreicht die Photovoltaik erst im Jahr 2023 dieses Niveau. Die Studie ist der Realität also mehr als zehn Jahre zurück. Außerdem sind 8 Cent für die Photovoltaik ein guter Wert. Der Solarstrom wird nämlich im Gegensatz zum Offshore-Windstrom direkt beim Endkunden produziert. Möglicherweise gelingt es, langfristig Offshore-Windstrom gut 4 Cent preiswerter zu produzieren als Photovoltaikstrom. Für den Preis wird man den Strom aber kaum von der Nordsee in die Steckdose nach Bayern bekommen. Wenn wir dann die Photovoltaik noch intelligent in Gebäude integrieren und Baumaterialien ersetzen, kann sie sogar deutlich preiswerter sein als Offshore-Windstrom sein - selbst wenn sie nominal mehr als 8 Cent kosten sollte.

Auch die Autoren der Studie räumen ein, dass sie sich bei den Kosten irren könnten. Trotzdem raten sie, den Photovoltaikausbau drastisch zurückzufahren. Photovoltaik könne man zu einem späteren
Zeitpunkt billiger zubauen.

Die Ziele sind der Klimaschutz und die Kosten nach unten zu treiben. Der Klimaschutz soll ja nicht bis 2050 warten. Was die Kosten angeht, basiert momentan der halbe Photovoltaikweltmarkt auf dem deutschen Markt. Wenn wir jetzt hier in Deutschland die Notbremse ziehen, wird das der Weltmarkt das erst einmal nicht auffangen können. Wir würden die Photovoltaik um einige Jahre zurückwerfen und mögliche Kostensenkungen verzögern.

Deutschland kann diese Kostensenkung ja nicht alleine finanzieren. Wie weit sollte die Förderung des deutschen Marktes noch getrieben werden.

In Deutschland kostet Strom aus Aufdachanlagen 28 und aus Freiflächenanlagen 21 Cent. In Südeuropa ist der Solarstrom wegen des höheren Strahlungsangebots gut 50 Prozent preiswerter. Wenn es uns gelingt, dass dort Aufdachanlagen für unter 10 bis 15 Cent produzieren, dann werden die Anlagen für Industriekunden interessant. Sie können dann große Anlagen selber errichten, weil sie den eigenen Strom dann billiger erzeugen als sie ihn vom Energieversorgungsunternehmen kaufen können. Dann wird der Markt durchstarten, ohne dass ihn irgendwelche staatlichen Programme extrem stützen müssen, und die Kosten werden von selber weiter sinken. Das Ziel ist nicht mehr weit entfernt. Auch in Deutschland ist dieses Ziel noch in diesem Jahrzehnt realistisch.

Zurück nach Deutschland. Wie viel Photovoltaik können wir überhaupt noch zubauen, bevor wir Speicher brauchen?

Wenn wir bis 2020 etwa 70 Gigawatt zubauen, wie es der BSW-Solar in seiner Roadmap beschreibt, dann werden wir mittags im Sommer am Wochenende bei einem dicken Hochdruckgebiet über ganz Deutschlandfast die ganze Stromversorgung mit Photovoltaik alleine decken können. Wind weht dann meistens wenig, so dass das nicht so sonderlich dramatisch ist. Problematisch ist, dass wir momentan im EEG die Biomasse und die Geothermie als Grundlast vergüten. Man muss man das EEG intelligent weiterentwickeln, so dass die Biomasse regelnd einsetzt wird. Auch die Photovoltaik wird dann Regelaufgaben übernehmen müssen. Wenn wir über 70 Gigawatt Photovoltaikleistung installieren, wird es ohne zusätzliche Speichermöglichkeiten nicht mehr gehen.

Welche jährlichen Zubauraten sind in Deutschland sinnvoll?

Da ist immer die Frage, was man als Gesamtziel ansieht. Ich persönlich sehe langfristig eine sinnvolle Photovoltaikleistung bei 100 bis 200 Gigawatt. Wenn man diese Größenordnung erreichen will, dann muss man 4 bis 8 Gigawatt pro Jahr zubauen.

Das Gespräch führte Michael Fuhs.

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