Herr Prof. Dr. Quaschning, Betreiber von Gas- und Kohlekraftwerken in Deutschland drohen mit Schließung ihrer Anlagen, jetzt will die EU auch noch die Atomkraft subventionieren. Was widerfährt hier eigentlich der Energiewende?
Nur fünf Prozent der erneuerbaren Energieanlagen gehören den vier großen deutschen Energiekonzernen. Sie haben sich bislang der Energiewende weitgehend verweigert und stattdessen auf Kohlekraftwerke und Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken gesetzt. Der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien zerstört deren Strategie und drückt auf die Gewinne. Die Konzerne versuchen nun mit Hilfe der Politik dem entgegenzuwirken.
Halten Sie eigentlich den Weg für richtig, die Energiewende mit Subventionen, Vergütungen und Umlagen zu pflastern?
Fossile Energien werden weltweit mit über 500 Mrd. € pro Jahr subventioniert. Auch in Deutschland sind bislang dreistellige Milliardenbeträge in die Subvention von Atomkraft und fossilen Energien geflossen. Weitere Kosten kommen noch hinzu. Das Umweltbundessamt geht von Klimafolgeschäden von 70 € pro Tonne Kohlendioxid aus. Damit betragen allein die nicht gedeckten Klimafolgeschäden von Kohlekraftwerken in Deutschland rund 20 Mrd. € pro Jahr. Die Energiewende ist trotz der anfallenden Kosten der deutlich preiswertere Weg.
Auch erneuerbare Energien haben Nebenwirkungen, wenn man zum Beispiel nur an Biogas denkt. Stimmen Sie dem zu?
Jede Form der Energienutzung hat Auswirkungen auf die Umwelt. Im Vergleich zur Nutzung fossiler Energieträger oder der Kernenergie sind diese bei erneuerbaren Energien aber ungleich niedriger.
Die hohen Energiekosten in Deutschland machen vor allem dem Mittelstand zu schaffen. Nur die energieintensivsten Unternehmen sind (noch) von der EEG-Umlage ausgenommen. Lassen sich die Wettbewerbsnachteile hinsichtlich der Energiefrage – insbesondere im Vergleich mit den USA und den niedrigen Gaspreisen dort – aufhalten?
Der deutschen Wirtschaft geht es trotz oder vielleicht auch wegen der hohen Energiepreise doch ziemlich gut. Hohe Energiepreise fördern Innovationen im Energiebereich. Langfristig werden die Länder am besten aufgestellt sein, deren Wirtschaft zuerst unabhängig von fossilen Energieträgern ist.
Prof. Dr. Volker Quaschning: Stichwort Schiefergas. Das umstrittene Fracking-Gesetz ist vorerst gestoppt. Glauben Sie, dass die Schiefergasförderung hierzulande und generell in Europa eine Chance hat?
Ich halte eine Förderung von Schiefergas in Deutschland weder für sinnvoll noch für durchsetzbar. In anderen europäischen Ländern sind die Widerstände geringer. Die Bedeutung von Schiefergas in Europa wird aber recht überschaubar bleiben.
Wenn Sie weit in die Zukunft blicken – sagen wir, internationale Energieversorgung in 100 Jahren. Welcher Energiemix wird in Deutschland und weltweit vorherrschen?
Wenn wir die Klimaerwärmung wirksam stoppen und die Lebensgrundlagen für unsere Kinder erhalten wollen, muss unsere Energieversorgung bis Mitte des Jahrhunderts CO2-frei werden. In Deutschland ist es möglich, bereits im Jahr 2040 eine Energieversorgung allein auf Basis erneuerbarer Energien zu realisieren. Wenn das gelingt, wird der Rest der Welt zeitnah folgen.