Publikationen
Studien
Volker Quaschning
Sektorkopplung durch die Energiewende
Anforderungen an den Ausbau erneuerbarer Energien zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele unter Berücksichtigung der Sektorkopplung
38 Seiten
Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin
20. Juni 2016
Beim Pariser Klimagipfel wurde beschlossen, die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen, um die Folgen des
Klimawandels noch in einem vertretbaren Ausmaß zu halten. Dazu ist eine Reduktion des energiebedingten Kohlendioxidausstoßes
gegen 2040 auf null erforderlich. Danach darf kein fossiles Erdgas, Erdöl und keine Kohle mehr genutzt werden oder das zu
viel emittierte Kohlendioxid muss mit aufwändigen und kostenintensiven CCS-Verfahren wieder der Atmosphäre entzogen und
endgelagert werden. Die Energieversorgung in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr sollte daher bis 2040 vollständig mit
erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Die Potenziale für Biomasse, Geothermie und Solarthermie sind in Deutschland begrenzt. Darum muss der wesentliche Anteil
der künftigen Energieversorgung durch Strom aus Windkraft und Photovoltaikanlagen gedeckt werden. Bei gleichbleibenden
Verhaltens- und Konsummustern steigt dadurch der Stromverbrauch von derzeit rund 600 TWh auf gut 1300 TWh an. Voraussetzung
sind ambitionierte Effizienzmaßnahmen. Der motorisierte Straßenverkehr muss fast vollständig elektrifiziert werden. Gegen
2025 müssen dafür die Produktion von Fahrzeugen mit Benzin- und Dieselmotoren eingestellt und für den Güterverkehr wichtige
Fernstraßen mit Oberleitungen versehen werden. Im Wärmebereich dürfen ab dem Jahr 2020 keine neuen Gas- oder Ölheizungen sowie
KWK-Anlagen installiert werden. Aus Effizienzgründen wird künftig der überwiegende Anteil der Raumwärme durch
Wärmepumpen gedeckt.
Werden die Effizienzmaßnahmen nicht umgesetzt, steigt der Strombedarf auf bis zu 3000 TWh an. Diese Strommenge in absehbarer
Zeit klimaneutral zu decken ist unrealistisch. Selbst für einen Strombedarf von 1300 TWh muss das Ausbautempo von Solar- und
Windkraftanlagen deutlich steigen. Bei der Onshore-Windkraft liegt der empfohlene jährliche Nettozubau bei 6,3 GW, bei der
Offshore-Windkraft bei 3 GW und bei der Photovoltaik bei 15 GW. Zur kosteneffizienten Integration dieser erneuerbaren
Kraftwerksleistungen muss ein Kohleausstieg bis spätestens 2030 erfolgen.
Mit den heutigen Zielvorgaben aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz besteht keinerlei Möglichkeit, die Pariser Klimaschutzziele
zu erreichen. Das ist den politischen Verantwortlichen entweder nicht bewusst oder sie nehmen ein Verletzen der
Klimaschutzverpflichtungen bewusst in Kauf oder setzen auf eine nachträgliche Korrektur durch CCS-Technologien. Da keine dieser
Optionen gesellschaftlich tragbar ist, sind schnelle und einschneidende Korrekturen der Energiepolitik dringend erforderlich.
Schlussfolgerungen der Studie
Für einen erfolgreichen Klimaschutz müssen die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr bis zum Jahr 2040 vollständig dekarbonisiert werden.
Kohlekraftwerke zählen zu den größten Verursachern von Kohlendioxidemissionen. Der Kohleausstieg sollte daher spätestens 2030 abgeschlossen sein. Hierfür ist auch die schnelle Errichtung von Speichern erforderlich.
Mit der jetzigen Energiepolitik und den Zubaukorridoren für den Ausbau der regenerativen Stromerzeugung im EEG können regernative Energien bis zum Jahr 2040 nur bis zu 35 % des erforderlichen Bedarfs decken. Das Einhalten der Pariser Klimaschutzvereinbarungen ist damit absolut unmöglich.
Künftig wird auch ein großer Teil des Energiebedarfs in den Sektoren Wärme und Transport durch elektrischen Strom aus Solar- und Windkraftanlagen gedeckt werden müssen. Dadurch steigt der Stromverbrauch von derzeit 628 TWh auf mindestens 1320 TWh.
Werden keine ambitionierten Effizienzmaßnahmen umgesetzt, kann sich der Strombedarf verfünffachen und auf über 3000 TWh ansteigen. Dieser Bedarf lässt sich bis 2040 nicht durch erneuerbare Energien in Deutschland decken.
Aus Effizienzgründen scheiden künftig Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sowie Gasheizungen und KWK-Anlagen aus.
Möglichst ab 2025, spätestens aber ab 2030, sollten daher in Deutschland keine Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Die wichtigsten Fernstraßen sind mit elektrischen Oberleitungen zu versehen.
Gas-Brennwertkessel und KWK-Anlagen dürfen ab dem Jahr 2020 nicht mehr neu gebaut werden. Stattdessen müssen effiziente Wärmepumpen die Gebäudewärmeversorgung und Warmwasserbereitung weitgehend übernehmen.
Durch Gebäudesanierung sollte der Wärmebedarf der Gebäude in den nächsten 25 Jahren möglichst um 30 bis 50 % gesenkt werden.
Für die regernative Stromerzeugung wird für das Jahr 2040 für Onshore-Wind-kraft eine installierte Leistung von 200 GW, für die Offshore-Windkraft von 76 GW und für die Photovoltaik von 400 GW empfohlen. Der erforderliche Nettozubau beträgt für die Onshore-Windkraft 6,3 GW, für die Offshore-Windkraft 2,9 GW und für die Photovoltaik 15 GW pro Jahr.
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