Die neuesten Meldungen der Klimaforscher vom Institut für Klimafolgenforschung (PIK) Potsdam sind dramatisch: Auch wenn wir große
Anstrengungen für einen wirksamen Klimaschutz unternehmen und die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzen, werden die
Meeresspiegel bis zum Jahr 2300 um 2,7 Meter ansteigen – mit katastrophalen Auswirkungen auf die Küstenregionen. Die aktuellen
Entwicklungen bei der Energieversorgung sprechen aber noch eine andere Sprache. Die weltweiten Kohlendioxidemissionen steigen
derart schnell an, dass selbst eine Erwärmung von drei Grad Celsius vermutlich übertroffen wird.
Nach dem Verkünden der Energiewende im Frühjahr 2011 schaut die Welt gespannt auf Deutschland. Gelingt uns die Trendwende,
wäre das ein Vorbild für den Rest der Welt und könnte damit die globale Erwärmung in letzter Minute doch noch auf vertretbare
Werte begrenzen. Aber es ist Sand im Getriebe. Die zuständigen Politiker wollen ein langsameres Tempo beim Umbau unserer
Energieversorgung durchsetzen. Gerade einmal 35 Prozent regenerativer Strom bis zum Jahr 2020 sollen es sein. Damit würde
der Anteil fossiler Kraftwerke nahezu konstant bleiben. Wirksamer Klimaschutz sieht anders aus.
Der Vorwand für die Temporeduzierung liegt in den angeblich hohen Kosten für erneuerbare Energien, die für viele nicht mehr
bezahlbar seien. Im Herbst werden die neuen Zahlen für die so genannte EEG-Umlage erwartet, die alle Haushalte über die
Stromrechnung entrichten müssen. Die in dieser Umlage ausgewiesenen Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien könnten
dann auf fünf Cent pro elektrische Kilowattstunde (Cent/kWh) steigen. Das ist eine Steilvorlage für die Gegner der Energiewende,
die den Bankrott aller privaten Haushalte infolge unbezahlbar teuren Wind- und Solarstroms beklagen werden. Dabei sind die Kosten
für Haushaltsstrom zwischen 2000 und 2012 insgesamt um zwölf Cent/kWh angestiegen. Da halten andere deutlich mehr die Hand auf
als die Betreiber von Solar- und Windkraftanlagen. Allein die Gewinne von RWE und e.on lagen im ersten Halbjahr 2012 über den
Vergütungszahlungen für sämtliche regenerative Energieanlagen. Und die stromintensive Energie beteiligt sich erst gar nicht an
der Energiewende. Sie können von fast allen Umlagen befreit billig an der Strombörse einkaufen. Im teuren Ökostromland
Deutschland ist dort der Strompreis inzwischen niedriger als im so vermeintlich billigen Atomstromland Frankreich. Eine faire
Lastenverteilung sieht anders aus.
Sicher werden die Kosten für eine erfolgreiche Energiewende und einen wirksamen Klimaschutz weiter ansteigen. Wenn man aber sieht,
wie sorglos an vielen Stellen in Deutschland mit elektrischer Energie immer noch umgegangen wird, bleibt auch eine schnelle
Energiewende für die meisten sicher bezahlbar. Da bei jeder Strompreiserhöhung der Staat über höhere Mehrwertsteuereinnahmen
auch noch einmal kräftig mitverdient, gäbe es auch durchaus Spielräume, einkommensschwache Haushalte zu entlasten.
Der eigentliche Grund für die vorgeschobene Kostendiskussion ist an anderer Stelle zu suchen. Der schnelle Ausbau von
Wind- und Solaranlagen geht zu Lasten der großen Energiekonzerne. Rund 25 Prozent Strom aus regenerativen Energieanlagen
waren in der ersten Jahreshälfte 2012 im Netz. RWE hatte 2011 gerade einmal rund vier Prozent regenerativen Strom im Portfolio.
Ein weiterhin schneller Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken bedroht die Existenz der bestehenden Braunkohle- und Atomkraftwerke.
Sie sind technisch nicht in der Lage, die zunehmenden Schwankungen durch regenerative Kraftwerke im Stromnetz auszugleichen
und müssten dann recht bald durch schnell regelbare Gaskraftwerke oder Speicher ersetzt werden. Diese Entwicklung soll allerdings
so lange wie möglich hinausgezögert werden. Gelingt das, wäre Deutschlands Vorbildfunktion für eine erfolgreiche Energiewende
zerstört und ein wirksamer Klimaschutz wäre kaum mehr umzusetzen.
Ganz nach dem Motto: “Nach uns die Sintflut” nehmen das die Gegner der Energiewende aber bewusst in Kauf. Das Schöne an
einer Demokratie ist aber, dass langfristige Entwicklungen nicht dauerhaft durch profitorientierte Lobbyisten oder ängstliche
und planlose Politiker bestimmt werden müssen. Wir haben es selbst in der Hand, eine schnelle Energiewende durchzusetzen und
unseren Kindern einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Es gibt immer noch viel zu viele private Dächer, die sich
geradezu nach Photovoltaikanlagen sehnen, unabhängige grüne Stromanbieter, bei denen das Geld aus der Stromrechnung nicht
in die Kohle- und Atomkraftwerke fließt und vielleicht sogar den einen oder anderen engagierten Politiker, der gewählt werden
möchte und nicht vor den großen Energiekonzernen einknickt. Stellen wir uns unserer Verantwortung.
Eine Vielzahl an Artikeln behandelt aktuelle Themen der Energiepolitik, des Klimaschutzes und des Einsatzes erneuerbarer Energien.
In verschiedenen Print-, Radio- und TV-Interviews nimmt Volker Quaschning Stellung zu aktuellen Fragen über die Energiewende und eine klimaverträgliche Energieversorgung.
Das Wachstum erneuerbarer Energien steigt kontinuierlich. 2023 haben erneuerbare Energien bereits einen Anteil an der weltweiten Kraftwerksleistung von 45 Prozent erreicht. Kernkraftwerke liegen dagegen nur noch bei 4 Prozent. Für wirksamen Klimaschutz muss der Ausbau erneuerbarer Energien aber noch weiter gesteigert werden.
Früher oder später werden Gerichte eine Klimaschutzpolitik einfordern, die
auch Gesetze und Ziele einhält. Beschließen also ausgerechnet Merz oder Söder dann
ein Tempolimit?
Am 14. Mai wurde in Deutschland so viel Solarstrom ins Netz eingespeist wie noch
nie. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Nachbarländer, speziell auf die
Atomkraft-Ambitionen in Frankreich.
Die Erdgaslobby-Organisation Zukunft Gas steht in der Kritik. Zahlreiche Stadtwerke sind ausgetreten. Dabei verkünden auch Teile der Politik, grüner Wasserstoff wäre die Zukunft für die Wärmeversorgung und den Verkehr. Was ist dran an der Wasserstoffstory oder ist diese Erzählung am Ende nur eine reine Luftnummer?