Mit neuen Rekordtemperaturen von über 40 °C in Deutschland hat uns der letzte Sommer wieder eindringlich an den Klimawandel erinnert.
Falls wir nicht schnell eine kohlendioxidneutrale Energieversorgung realisieren, wird die mittlere Temperatur bis Ende des
Jahrhunderts um vier bis fünf Grad nach oben schnellen. Bis zum Jahr 2300 halten Klimaforscher sogar ein Plus von 8 bis 12 °C
für möglich. Bei jedem Grad Erderwärmung wird der Meeresspiegel langfristig um gut zwei Meter steigen. Bereits bei einem Anstieg um einen
Meter würden über 150 Millionen Menschen ihr zu Hause verlieren und zu Klimaflüchtlingen werden. Die noch vergleichsweise geringen
Flüchtlingsströme der jüngsten Zeit geben uns einen vagen Eindruck, welche dramatischen Auswirkungen ein ungebremster Klimawandel
haben wird. Die Folgen für unsere Kinder und Enkelkinder werden katastrophal sein und überschreiten unser Vorstellungsvermögen.
Noch kann es gelingen, die weltweite Erwärmung auf Werte von unter zwei Grad zu begrenzen. Wollen wir dies erreichen, haben wir
noch knapp 30 Jahre Zeit, eine Energieversorgung aufzubauen, die kein Kohlendioxid mehr freisetzt, sondern ganz ohne
klimaschädliche Kohle, Erdöl und Erdgas auskommt und ausschließlich erneuerbare Energien nutzt. Der „Energiereport Deutschland“ zeigt, dass
viele Menschen skeptisch sind, ob diese Herkulesaufgabe bewältigt werden kann und nicht wenige befürchten sogar, dass die
Energiewende gänzlich scheitern wird.
Dabei ist der Komplettumbau unserer Energieversorgung innerhalb von 20 bis 30 Jahren
gar nicht so unrealistisch. Dies zeigen die Beispiele Mobilfunk und Internet. Es ist nicht einmal 10 Jahre her, dass Apple mit
einem „One more thing“ eine Revolution einleitete. Heute nutzen die meisten Deutschen ganz selbstverständlich ein Smartphone.
Inzwischen gibt es in Deutschland bereits mehr Mobilfunkanschlüsse als Einwohner. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht auch
im Bereich der Energieversorgung eine vergleichbare Dynamik einsetzen sollte. Schließlich geht es hier um die Sicherung unserer
elementaren Lebensgrundlagen.
Die deutsche Politik hat die Energiewende zwar verkündet, beim heutigen Umbautempo dauert es aber noch rund 150 Jahre, bis
unser Energiebedarf nur mit erneuerbaren Energien kohlendioxidfrei gedeckt werden kann. Unter massivem Druck
verschiedenster Lobbygruppen fürchtet die Politik ganz offensichtlich, die Bevölkerung könnte einen schnelleren Wandel nicht
mittragen, und bringt nicht den Mut für die nötigen Schritte auf. Vor diesem Hintergrund liefert der „Energiereport Deutschland“ von
BayWa r.e. mit der zugrunde liegenden Befragung sehr spannende Meinungsbilder, die zeigen, dass die Bevölkerung durchaus einen viel
schnelleren Umbau unserer Energieversorgung unterstützt. Viele sind bereit, durch den Wechsel ihres Energieversorgers einen eigenen
Beitrag zu leisten, und haben auch sehr konkrete Vorstellungen, was ein neuer Anbieter leisten sollte. Der Preis spielt bei der Wahl des
Stromanbieters die wichtigste Rolle, Aspekte wie Nachhaltigkeit oder Transparenz haben aber über sehr breite Bevölkerungsschichten
hinweg ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert.
Obwohl sehr viele der Befragten nicht wirklich wissen, woher ihr Strom kommt, zeigen die meisten dennoch ein sehr gutes Gespür
für die Anforderungen an die Energiewende. Sie wünschen sich mit einer überwiegenden Mehrheit eine Energieversorgung aus Solar-, Wind- und
Wasserkraftstrom. Die Kohle ist als Energieträger sogar noch unbeliebter als die Kernenergie. Der Bevölkerung ist offensichtlich bewusst,
dass für eine nachhaltige Energieversorgung ein baldiger Ausstieg aus der Kohleverstromung dringend realisiert werden muss. Selbst in den
von Braunkohle geprägten Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg würden sich gerade einmal 4 bis 5 % der Befragten für
eine Stromversorgung mit Kohlestrom entscheiden.
Aus diesen doch sehr eindrucksvollen Zahlen lässt sich klar ableiten, dass die Bevölkerung nicht nur einen raschen Umbau
unserer Energieversorgung unterstützt, sondern dafür von der Politik auch die nötigen Rahmenbedingungen erwartet. Diese ist
nun gefordert, ein Konzept für einen schnellen und sozial verträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung zu entwickeln und
umzusetzen.
Auch hinsichtlich des erforderlichen Energiemixes zeigt die Bevölkerung mehr Sachverstand als etliche politische
Entscheidungsträger. Im Zuge der Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) wurde der Zubau von Photovoltaikanlagen
von über 7,5 Gigawatt im Jahr 2012 auf deutlich unter zwei Gigawatt in diesem Jahr gedrosselt. Tritt hier kein Erkenntnisgewinn
in Bezug auf eine sinnvolle Höhe des Zubaus ein, kann die Photovoltaik nie mehr als 10 % des deutschen
Strombedarfs decken. Um die Energiewende erfolgreich zu Ende zu bringen, müsste zudem die Stromerzeugung aus Windkraft in
Deutschland rund verzehnfacht werden. Die Akzeptanz der Energiewende könnte dadurch leiden. Bei einem sinnvollen Energiemix steht die
Windkraft ganz klar auf Platz eins. Ein Energiemix, der ausschließlich auf Windenergie basiert, wird allerdings von der
Bevölkerung nur wenig präferiert. Etwa ein Drittel des deutschen Stroms sollte aufgrund technologischer und ökonomischer
Überlegungen aus dezentralen Solaranlagen stammen. Das sehen offensichtlich auch die Bürger so.
Die Solarenergie ist die beliebteste Energiequelle der Deutschen und ist auch zentraler Bestandteil im Wunschenergiemix der meisten
Befragten. Besonders angesagt ist Solarstrom bei der jungen Generation. Solaranlagen sind sexy und bieten Potenzial für echte
Lifestyle-Produkte. Damit stellen die Bürger den zögerlichen Kurs der Bundesregierung und den Einbruch des Solarenergiezubaus
in Frage. Ob Maßnahmen wie die kürzlich beschlossenen Umlagen auf den Eigenverbrauch von Solarstrom mehrheitsfähig sind, dürfte damit
ernsthaft bezweifelt werden. Auch die restriktive Politik der bayerischen Landesregierung hinsichtlich des Windenergieausbaus scheint im
eigenen Land nicht unbedingt auf ungeteilte Zustimmung zu stoßen: Der Wunschenergiemix in Bayern besteht nämlich zur Hälfte aus
Windkraftstrom.
Es bleibt zu hoffen, dass die Politiker endlich aufhören, den Wunsch der Bevölkerung nach einer schnellen Energiewende und
einer nachhaltigen Energieversorgung zu ignorieren. Wir Bürger müssen jede Möglichkeit nutzen, weiter Druck auf die Politik
aufzubauen, und wir müssen versuchen, den Lobbygruppen, die eine ausreichend schnelle Energiewende bislang verhindert haben,
möglichst viel entgegenzusetzen.
Damit sich möglichst viele Menschen daran beteiligen, muss allerdings noch einiges an Aufklärungsarbeit erledigt werden. Hier kommt
es also weiterhin auf das Engagement von Schulen, Forschungseinrichtungen, Umweltorganisationen, Verbänden, nachhaltig
wirtschaftenden Unternehmen und bereits informierten Bürgern an. Solange die Energiewende nicht das für einen wirksamen Klimaschutz nötige
Tempo erreicht, haben wir Bürger zumindest die Möglichkeit, durch die Wahl unseres Energieversorgers den Wandel zu beschleunigen und
damit ein unmissverständliches Zeichen zu setzen. Wer seinen Strom noch von einem herkömmlichen Versorger bezieht, sollte möglichst
schnell auf erneuerbare Alternativen umsteigen. Wir haben die Wahl, denn schließlich geht es dabei um die Zukunft unserer Kinder und
Enkelkinder.
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