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Unendliche Kapitalvermehrung
Die Jagd nach ständig höheren Renditen hat in den letzten Jahren immer groteskere Züge angenommen. Dabei zeigt ein einfaches Rechenbeispiel,
dass unser Wirtschaftssystem auf lange Zeit gar nicht funktionieren kann. Dabei ist das heutige ökonomische System nicht nur immer öfter Auslöser
von globalen Krisen. Es behindert auch die zur Bekämpfung des Klimawandels dringend benötigte Energiewende. Da bei vielen regenerativen Energiesystemen
ein Großteil der Investitionen schon bei der Anlagenerrichtung anfallen, schneiden diese bei der heutigen ökonomischen Berechnungsweise besonders schlecht ab.
Ein Grund mehr, einmal einen kritischen Blick auf unsere Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu werfen.
An dieser Stelle wird ein Zahlenbeispiel nach (Goetzberger, 1994) aufgegriffen. Es soll angenommen
werden, dass zur Zeit von Christi Geburt, also im Jahre null, ein Eurocent mit einem Zinssatz
von 4 % angelegt wurde. Mit der Zinseszinsformel kann nun berechnet werden, wie
viel diese Investition im Jahre 2000 Wert gewesen wäre. Mit
k2000 = 0,01€·(1+0,04)2000 = 1,166·1032 €
berechnet sich die unvorstellbar große Summe von 1,166·1032 €. Bei einem Goldpreis von
33 000 €/kg würden sich damit stattliche 3,5·1027 kg Gold erwerben lassen. Die Dichte
von Gold beträgt 19,29 kg/dm3, womit sich für die Goldmenge ein Volumen von
1,8·1014 km3 ergibt. Das Volumen der Erde beträgt im Vergleich hierzu nur 1,1·1012 km3,
das heißt diese Goldmenge umfasst rund das 167fache Volumen der Erde.
Dieses Rechenbeispiel zeigt, dass eine Kapitalverzinsung, also ein stetiges Kapitalwachstum
über sehr lange Zeiträume überhaupt nicht möglich ist, denn die Zinseszinsformel
strebt für sehr große Zeiträume gegen unendlich. Niemand auf der Erde wäre in der
Lage, diese Zinslasten aufzubringen. Über sehr lange Zeiträume ergeben die klassischen
Berechnungsmethoden keinen Sinn. Dabei kann niemand die Zeitspanne angeben, ab der
sich die Zinseszinsrechnung nicht mehr anwenden lässt. Bei einem Zinssatz von 8 % verzehnfacht
sich das eingesetzte Kapital in 30 Jahren, in 100 Jahren ist es bereits 2200-mal
so viel wert. Dies sind durchaus Zeiträume, wie sie bei Kapitalanlagen im Energiesektor
vorkommen. Je länger der Zeitraum und je größer der Zinssatz der Kapitalanlage ist, desto
größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Kapital verloren geht oder abgewertet
wird. Nicht nur in der Vergangenheit führten zum Beispiel Kriege, Währungsreformen
oder auch in zunehmenden Maße Umweltkatastrophen zu einem Totalverlust des vorhandenen
Kapitals. Langfristig gesehen sind diese Ereignisse nach heutigem wirtschaftlichen
Denken sogar zwingend notwendig, denn sonst müsste eine fortgesetzte Kapitalverzinsung,
wie in obigem Beispiel gezeigt wurde, zu unendlichem Reichtum führen.
Renditen weit oberhalb des Wirtschaftswachstums lassen sich im großen Maßstab prinzipiell
nur durch Umverteilung von Kapital erzielen. Wirklich erwirtschaften lassen sich
diese Renditen nicht. Gerade die Wirtschaftskrise aus dem Jahr 2009 hat uns aber auch
wieder vor Augen geführt, dass Renditeversprechungen und Kapitalverlust eng miteinander
verknüpft sind. Während die letzten 50 Jahre des 20. Jahrhunderts sich durch
eine gewisse Stabilität ausgezeichnet haben, haben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Ereignisse wie der Erste und der Zweite Weltkrieg sowie die Weltwirtschaftskrise
der 1930er-Jahre zum Totalverlust von großen Kapitalmengen innerhalb von weniger als
20 Jahren geführt. Heute drohen zunehmend Verluste durch die steigende Zahl von Naturkatastrophen,
die durch unsere heutige Energiewirtschaft und den Klimawandel begünstigt
werden.
Oftmals fördert eine Kapitalanlage sogar den Totalverlust derselben. Ein Beispiel hierfür
sind die deutschen Kriegsanleihen im Ersten Weltkrieg. Sie wurden zur Finanzierung des
Krieges mit einer hohen Renditeversprechung vom Staat aufgenommen. Am Ende hatten
die Kapitalgeber nicht nur ihr gesamtes Kapital verloren, sondern durch den Einsatz dieses
Kapitals zur Vernichtung von weit über ihr eingesetztes Kapital hinausgehenden
Vermögenswerten beigetragen. Ähnlich verhält es sich bei Investitionen im Energiesektor.
Eine Investition in ein Kernkraftwerk kann beim Eintreten eines GAUs nicht nur zum
Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen, sondern den Verlust weit größerer Vermögenswerte
verschulden. Investitionen in fossile Energien begünstigen den Treibhauseffekt.
Auch durch die Folgen des Treibhauseffektes, wie zum Beispiel das verstärkte Auftreten
von Stürmen, kann es zu großen Verlusten kommen. Diese Schäden wiederum
führen nicht zwangsläufig zum Verlust der Anlagen zur fossilen Energiewandlung.
Dies sind Gründe dafür, nicht nur auf ein möglichst großes Wachstum des Kapitals zu
achten, sondern vor allem auch auf eine Sicherung des bereits vorhandenen Kapitals. Zu
einer Sicherung können Kapitalanlagen in Technologien beitragen, die negativen Auswirkungen
anderer Bereiche entgegenwirken. Eine Investition in regenerative Energiesysteme
sollte nicht zuletzt auch unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden.
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